Strasser: Ein Man in Black mit ausgeprägtem Geschäfts- und Machtsinn

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Der Ex-EU-Abgeordnete Ernst Strasser stolperte in seinem dritten politischen Leben über seine Umtriebigkeit.

Wien. „Als Paulus begonnen und als Saulus geendet.“ Die Beschreibung des früheren SPÖ-Chefs Alfred Gusenbauer bezog sich auf die Entwicklung der Kriminalitätsrate in Österreich nach dem Ende der Amtszeit Ernst Strassers als Innenminister Ende 2004. Heute würden das auch frühere ÖVP-Weggefährten des gebürtigen Oberösterreichers sagen, die mittlerweile nicht mehr an ihm anstreifen wollen. Seit der unappetitlichen Lobbyingaffäre, als er 2010 von zwei britischen Journalisten in Brüssel heimlich gefilmt wurde (Strasser selbst bestreitet trotz der auf Video festgehaltenen Aussagen die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung), und der nun erhobenen Anklage wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit ist jedenfalls das Ende eines steilen politischen Weges von St. Pölten über Wien bis Brüssel fix.

Dem Bauernsohn aus Grieskirchen mangelte es nie an Selbstbewusstsein und einem ausgeprägten Sinn für Macht. „Viele drängen in die Politik, weil sie den inneren Wunsch haben, geliebt zu werden. Ich bin da anders. Mein Ziel ist bestenfalls, respektiert zu werden. Ich war in der Politik, um zu gestalten“, sagte Strasser vor der EU-Wahl 2009.

In seinem ersten politischen Leben schnupperte der gelernte Jurist beim Bauernbund und im Landwirtschaftsministerium unter Ex-ÖVP-Chef Josef Riegler hinein. Nach der Wahlniederlage 1990 wechselte er in die Wirtschaft zur Umdasch-Gruppe. Die eigentliche Politkarriere begann 1992 mit dem Posten des ÖVP-Landesgeschäftsführers von Erwin Pröll, dessen politischer Ziehsohn er war. Dabei sorgte er später etwa mit einer „Men in Black“-Wahlkampagne für Pröll über Niederösterreichs Grenzen hinaus für Aufmerksamkeit.

Fusion Polizei-Gendarmerie durchgeboxt

Seine machtpolitische Basis baute Strasser über St. Pölten hinaus aus: Mit dem Einzug in den ORF-Stiftungsrat als Leiter des schwarzen Freundeskreises kam eine in dieser Republik hinter den Kulissen besonders wichtige Position dazu. Als starke rechte Hand des mächtigsten Mannes in der ÖVP eilte Strasser der Ruf eines Hardliners voraus, ehe er im Februar 2000 unter Wolfgang Schüssel Innenminister und verlängerter Arm der Niederösterreicher in der schwarz-blauen Bundesregierung wurde. Wegen seines besonnen Auftretens gegenüber den Demonstranten gegen Schwarz-Blau galt der frühere Zivildiener bei Schüssel-Kritikern sogar als liberal – bis er stärker auf Law-and-Order in der Sicherheits- und Asylpolitik setzte.

Ein Vermächtnis als Innenminister bleibt das Durchboxen einer Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei. Zugleich galt er im zuvor erzroten Innenressort bei Postenbesetzungen als beinharter „Umfärber“, wofür „gestohlene“ E-Mails über parteipolitische Postenbesetzungen als Beleg gesehen wurden. Die teure Neuausschreibung des Blaulichtfunksystems hängt ihm nach. Deswegen musste er sich heuer den Fragen im parlamentarischen Korruptionsuntersuchungsausschuss stellen.

Zugleich mauserte sich der Innenminister zum Kronprinzen Schüssels, bis Strasser im Dezember 2004 überraschend abtrat. Ein weiterer Karriereschritt war ihm verbaut geblieben: Die ÖVP schickte 2004 ihre Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner als EU-Kommissarin nach Brüssel.

Bei seiner Rückkehr in die Wirtschaft nützte der Exminister seine guten Kontakte. Bei seiner Geschäftstätigkeit war er umtriebig und zielstrebig – bei Unternehmensberatung und Lobbying – wie zuvor in der Politik. Daraus sollte im Frühjahr 2011 dann der Stolperstein bei seiner dritten politischen Karriere im EU-Parlament werden.

Brüssel – „ein Versehen, wenn man will“

Umso größer ist die Überraschung, als ihn Pröll, diesmal ist es allerdings offiziell ÖVP-Chef Josef Pröll, im Frühjahr 2009 als ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl zurück auf die politische Bühne holt. Der erfahrene EU-Parlamentarier Othmar Karas hat das Nachsehen. ÖVP-intern bricht der Sturm der Entrüstung aber erst richtig los, als Karas trotz 111.000 Vorzugsstimmen nicht Leiter der ÖVP-Delegation in Brüssel wird.

Die Empörung wäre sicher noch größer gewesen, wäre schon publik gewesen, was inzwischen in Einvernahmeprotokollen der Justiz vor der nunmehrigen Anklageerhebung in der Lobbyingaffäre nachzulesen ist. Darin bringt Strasser klar zum Ausdruck, dass er seine Parlamentariertätigkeit in Brüssel bestenfalls als politische Zwischen-Episode betrachtet: „Jetzt bin ich hier. Es ist ein Versehen, wenn man so will.“ Und weiter: „Und nach diesen fünf Jahren oder so will ich zur Gänze meine Firma führen.“

Auf einen Blick

Ernst Strasser (56) wurde als erstes von sechs Kindern in Grieskirchen geboren. Der Jurist wurde 1992 in Niederösterreich ÖVP-Parteisekretär. 2000 wurde Strasser Innenminister der schwarz-blauen Regierung. Ende 2004 trat er überraschend zurück. 2009 wurde er ÖVP-EU-Spitzenkandidat, im März 2011 erfolgte sein Rückzug wegen der Lobbyingaffäre, die ihm nun eine Anklage wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit eingebracht hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2012)

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