Graz: Straßenkünstler an der Leine

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Musizieren mit Maßband und Platzkarte: Seit 19. Juli herrschen in der Grazer Innenstadt strenge Regeln für Straßenmusikanten. Zu viele hätten sich von der „Dauerbeschallung“ gestört gefühlt.

Graz. 450 Meter ist die Herrengasse zwischen dem Grazer Hauptplatz und dem Eisernen Tor lang. In der Fußgängerzone mitten durch das Herz der steirischen Landeshauptstadt wird an diesem Freitagvormittag gebummelt und flaniert. Musiziert eher weniger. Ein älterer Geigenspieler ist der Einzige, der in der Mitte der Herrengasse vor einer Bankfiliale um elf Uhr vormittags die Stellung hält.

Seit 19. Juli gelten für Straßenmusiker in der Innenstadt strenge Regeln. Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) hat die neue Verordnung zum Schutz von Geschäftstreibenden und Bewohnern der Innenstadt eingeführt, wie er sagt. Zu viele hätten sich von der „Dauerbeschallung“ gestört gefühlt. Die Qualität zu heben und die Musiker besser über die Stadt zu verteilen, sei das Ziel, so Nagl-Sprecher Thomas Rajakovics.

Musiziert werden darf jetzt legalerweise nur noch zwischen elf und 14 Uhr sowie zwischen 15 und 21Uhr. Je Musikant nicht länger als 30Minuten am Stück, dann muss der Spielort gewechselt werden. Und: Jeder Spielort muss einen Mindestabstand von fünf Metern zu jedem Geschäfts- und Hauseingang sowie zu Gastgärten haben.

Abstand zu Schulen, Kirchen,...

Nicht genug damit: Von anderen Straßenmusikern, Kirchen und Schulen sind des Weiteren 50 Meter Abstand zu halten. Da werden die 450 Meter der Herrengasse sehr, sehr schnell eng. Ohne Maßband kommen die Musikanten (und die überwachenden Polizisten?) nicht mehr aus. Übrig bleiben laut den neuen Vorschriften ganze vier Spielorte in bester Lage. Viele der kleineren, aber auch stark frequentierten Altstadtgassen sind ob der Vielzahl von Geschäften und Lokalen gänzlich tabu: Sporgasse, Schmiedgasse und die bei den Musikanten bisher äußerst beliebt gewesene Hans-Sachs-Gasse.

Der Geigenspieler konnte sich einen der besten Plätze sichern, mitten in der Grazer Herrengasse. Zu den neuen Regeln will er nichts sagen. Er schüttelt den Kopf, zuckt mit den Schultern.

Platzkarte ab sofort gratis

Ist halt so. Ja, eine Platzkarte habe er natürlich. Er hält sie in seiner braun gebrannten Hand, zeigt sie kurz her, steckt sie aber sofort wieder ein, um sich seiner Geige zu widmen.

Jeder, der in der Innenstadt spielen möchte, muss sich vorher im Rathaus eine solche Platzkarte abholen. „Seit 19.Juli haben wir 140 Platzkarten ausgegeben“, sagte Ursula Hammerl vom Magistrat Graz im Gespräch mit der „Presse“. Die ursprünglichen 3,63 Euro pro Stück würden aber nicht mehr eingehoben werden. „Auf Anweisung des Bürgermeisters“, so Hammerl. Spielt man ohne Platzkarte, können Strafen bis zu einer Höhe von 218 Euro fällig sein.

Beschlossen wurde die neue Verordnung in der Landeshauptstadt mit den Stimmen der Bürgermeisterpartei ÖVP und jenen der FPÖ und des BZÖ. Es ist nicht das erste Verbot, das Bürgermeister Nagl in Graz durchgesetzt hat. Seit 2.Mai herrscht außerhalb von Lokalen und Schanigärten Alkoholverbot in der gesamten steirischen Innenstadt.

Singende Rebellin

Das Bettelverbot gilt, obwohl dieses nicht von der Stadt, sondern vom Land Steiermark verhängt wurde. Vor einigen Jahren gab es den Versuch eines Verbots für das Telefonieren in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Jonas und Kathrin sitzen an der Ecke Hauptplatz und Sporgasse. Jonas spielt Gitarre, Kathrin singt. Eigentlich dürften sie hier gar nicht spielen. Zu nah ist der nächste Geschäftseingang. „Wir haben auch keine Platzkarten“, sagt Kathrin. Sie ist mit der Regelung alles andere als einverstanden. „Jeder sollte spielen dürfen“, meint sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2012)

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