Husslein: Die Museen haben die Sammler zu wenig gepflegt

Belvedere-Chefin Agnes Husslein über die Verantwortung von Privatsammlern gegenüber der Gesellschaft. Und die der Museen.

Wieder ein Privatmuseum mehr in Österreich. Ist das eine Konkurrenz? Warum stiften die Sammler nicht mehr den Museen?

Husslein: Um Konkurrenz geht es weniger. Außerdem sind Privatmuseen fast immer schwierig und suchen über längere Zeit meist den Anschluss an öffentliche Museen. Ein grundlegendes Problem ist eher, dass in Österreich bei Privaten kein Verantwortungsgefühl dafür vorhanden ist, der Gesellschaft etwas von dem Erworbenen zurückzugeben. Kunst ist schließlich kein Eigentum! Ein Mensch, der ein wichtiges Werk kauft, hat auch die Aufgabe, die Gesellschaft daran teilhaben zu lassen. In den USA ist das selbstverständlich. Diese Tradition gibt es in Österreich aber nicht. Wir Museen arbeiten daran, eine solche zu etablieren. Wenn man allein daran denkt, wie schwierig es ist, Unterstützungsvereine zu schaffen, bei denen die Menschen sich mit einer Institution identifizieren. Das ist eine Arbeit, die über Generationen geht.

Also ein Versäumnis der Museen?

Husslein: Es ist sicher auch die Schuld der Museen, dass diese Arbeit seit dem Krieg nicht geleistet wurde. In Deutschland, Frankreich, England sieht die Situation anders aus, wobei dort auch andere steuerliche Anreize bestehen. Aber das Selbstverständnis Kunst gegenüber beginnt schon in der Schule, von Kindheit an muss vermittelt werden, wie man an Kunst herangeht. Das kann man nicht von einem Tag auf den anderen ändern.

Manche Sammler haben aber auch das Gefühl, dass die Kulturpolitik wenig Interesse an ihnen hat und dass Schenkungen an Museen direkt ins Depot verschwinden.

Husslein: Das verstehe ich. Aber durch meine Erfahrungen bei Sotheby's und Guggenheim habe ich gelernt, dass ein Museum auch ein Dienstleister ist. Das heißt, es hat auch den Sammler zu servicieren. Man muss mit Sammlern interagieren, eine Vertrauensbasis aufbauen, gemeinsam überlegen, wie die Sammlung integriert werden soll. Das ist stundenlange Arbeit und früher nie geschehen. Außerdem ist wichtig, dass ein Museum eine klare Marke ist. Die Sammler in Paris, London, New York suchen sich aus, wem sie ihre Werke schenken. Wobei auch Dauerleihgaben ein Thema sind; wir brauchen beides. Gerade haben wir wieder eine Schenkung bekommen, einen frühen Boeckl. Aber auch weniger bedeutende Künstler sind wichtig für die Forschung, auch mit ihnen wird gearbeitet.

Gibt es im Vergleich mit anderen Ländern überhaupt viele Sammler in Österreich?

Husslein: Es gibt mehr Sammler als man weiß. Und in den letzten Jahren ist auch eine neue Sammlergeneration herangewachsen, das ist toll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2012)

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