Nach der Londoner Olympia-Schlappe kündigt Sportminister Norbert Darabos, das Reformgenie aus dem Verteidigungsressort, beinharte Strukturänderungen an. Wenn das nur gut geht.
Null Medaillen bei Olympischen Sommerspielen für eine Weltmacht wie Österreich? Das geht gar nicht. Und deshalb muss jetzt der Sportminister ran. Norbert Darabos, im Nebenberuf Verteidigungsminister, übt das Sportamt schon seit Februar 2009 aus. Er hatte also genug Zeit, sich ein Bild zu machen – und nichts zu tun. Das verleiht seinen harten Ansagen mindestens ebenso viel Autorität wie die cremefarbene Trainingsjacke, die das Regierungsmitglied neuerdings vor Fernsehinterviews überstreift.
Seit der Schlappe von London kennt das burgenländische Pingpong-Ass kein Pardon mehr. Er werde durchgreifen und Strukturen umkrempeln, sagt Darabos in jedes Mikrofon. Gefördert werde nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip, sondern gezielt. Teufel auch, so sieht Verantwortung nach dem Gockelprinzip aus: Dreieinhalb Jahre lang schaut man dem Misthaufen im eigenen Hof beim Wachsen zu, um sich am Ende wie ein Hahn draufzusetzen und empört zu krähen, wie sehr alles zum Himmel stinkt.
Wobei: In diesem Zusammenhang von einem Misthaufen zu sprechen, ist auch schon wieder übertrieben. Natürlich kann es Momente patriotischer Freude auslösen, wenn ein Österreicher einen internationalen Wettbewerb gewinnt. Aber letztlich ist es für das Fortkommen einer Gesellschaft irrelevant, ob Athleten bei Olympischen Spielen Gold, Silber, Bronze oder Blech holen.
Die Idee, sportliche Erfolge sozialtechnisch zu planen, ist ähnlich überholt wie die DDR. Spitzenleistungen lassen sich nicht staatlich verordnen, sondern außerhalb autoritärer Systeme nur individuell erzielen. Es wäre deshalb absurd, das Londoner Debakel zum Sputnik-Moment zu stilisieren und eine nationale Kraftanstrengung zu organisieren, um schon 2016 in Rio den Medaillenspiegel wieder zu heben.
Wie soll das Züchtungsprojekt funktionieren? Müssen ab Montag die 1000 schnellsten Schüler Österreichs einmal pro Monat zum Sprinttraining nach Jamaika? Oder sind künftig Wiener Beamte verpflichtet, in Kajaks durchs Kanalsystem zur Arbeit zu paddeln und nach Dienstschluss das Schießen mit der Freien Pistole zu üben? Beim Gewichtheben wäre auch noch was drin: Scouts könnten bei McDonald's nach jungen Talenten suchen und ihnen eine Hantelausbildung in Nordkorea nahelegen. Ja ja, und in der Hofreitschule bietet die Republik Gratis-Dressurkurse an und abends Beachvolleyball-Turniere fürs Volk. Denn in den Nischen lauert der Erfolg und in der Breite. So hat der Visionär Norbert Darabos, der sein strategisches Reformgenie schon beim Bundesheer unter Beweis stellte, den Pfad zum Olymp vorgezeichnet. Eine Stunde mehr Turnunterricht pro Woche schlägt er vor. Der Rest ergibt sich dann von selbst.
Klar, und in der Zwischenzeit kämpfen die ÖOC-Funktionäre darum, neue olympische Bewerbe ins Programm aufzunehmen. Beim Schmähführen, Bierstemmen und Spazierengehen wären wir im Sommer sicher ganz gut. Oder auch beim Pfitschigogerln und beim guten alten „Wiener Dreikampf“: Nörgeln, Raunzen, Angerührtsein. Darabos kann gar nicht verlieren.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2012)