Ägypten ist den Islamisten ausgeliefert. Sie kontrollieren die Schaltstellen der Macht.
Kühn, schnell und eiskalt bauen die Muslimbrüder die Macht aus, die ihnen Ägyptens Wähler seit dem Sturz Hosni Mubaraks verliehen haben. In einem Handstreich schleifte ihre Galionsfigur, Staatspräsident Mohammed Mursi, nach nicht einmal zwei Monaten im Amt eine bisher uneinnehmbar scheinende Bastion der Islamisten-Gegner. Er setzte die Armeeführung ab und entriss dem Militär die Vorrechte, die es sich im Juni arrogiert hatte. Über Nacht haben in Ägypten nicht mehr die Generäle das letzte Wort, sondern ein freundlich lächelnder Muslimbruder mit Krawatte im Präsidentenpalast respektive dessen fromme Hintermänner.
Der Schlag war gut berechnet und sauber gesetzt. Den Islamisten gelang es, den Obersten Militärrat mit einem alten machiavellistischen Trick zu spalten. Es war das jüngste Mitglied der Armeeführung, das den Muslimbrüdern das Tor in die Waffenkammer der Macht öffnete. Denn ihm, dem ehrgeizigen und gottesfürchtigen Abdel Fatah al-Sisi, hatten sie den Chefsessel im Militär versprochen.
Die Islamisten folgen ihrem eigenen Generalstabsplan. Zug um Zug räumen sie die Überreste der Mubarak-Diktatur aus dem Weg. In der Vorwoche erst hat der Präsident den Geheimdienstchef abgesetzt. Als Nächstes wird er das Justizsystem ins Visier nehmen. In den Staatsmedien gab es schon Umbesetzungen.
Es ist alles vorbereitet für Phase II: die Umgestaltung Ägyptens in einen islamistischen Staat. Wer soll die Muslimbrüder noch aufhalten?
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2012)