Experten fordern tägliche Bewegung für Kinder. Ohne frühen Sport seien Weltklasseleistungen ausgeschlossen, warnt Volleyballverbandschef Peter Kleinmann.
Nach Olympia bejubeln die siegreichen Nationen ihre Erfolge, die anderen hinterfragen ihre Sportstrukturen. So auch Österreich, das ohne Medaille geblieben ist. So wurde die Dikussion um den Schulsport wieder neu entfacht: Kritiker meinen, es gäbe zu wenige Bewegungs- und Sportstunden an Österreichs Schulen. Daraus resultiere nicht nur die wachsende Zahl übergewichtiger Kinder, sondern auch das österreichische Olympia-Debakel.
Im Bildungsministerium versteht man die Kritik nicht. Die Schule sei nicht schuld daran, dass Österreichs Athleten ohne Medaillen nach Hause gekommen sind, zitiert das "Ö1 Morgenjournal" das Ministerium. Auch wenn 2003 unter VP-Ministerin Elisabeth Gehrer der Turnunterricht um eine Stunde pro Woche gekürzt worden ist, liege man weiterhin im europäischen Durchschnitt. In der Volksschule turnten Österreichs Mädchen und Buben pro Woche zwei bis drei Stunden, in der Unterstufe seien es drei bis vier Stunden. In der Oberstufe, vor allem in den berufsbildenden Höheren Schulen gebe es - zugegebenermaßen - oft nur zwei Stunden pro Woche.
Schulsport hat nicht Spitzensport zum Ziel
Ziel des Schulsportes sei es aber auch nicht Talente zu finden und Goldmedaillen-Träger auszubilden, sondern Kinder und Jugendliche für den Breitensport zu begeistern, sagt der Sprecher von SP-Bildungsministerin Claudia Schmied. Im Alter von elf Jahren bewegen sich Österreichs Buben noch an fünf Tagen pro Woche rund eine Stunde lang. Mit 17 Jahren bewegt sich ein und derselbe Jugendliche dann nur mehr an drei Tagen pro Woche. Bei den Mädchen schaut die Bewegungsbilanz noch schlechter aus.
Sportminister Norbert Darabos ist mit der Dikussion zum Schulsport "unglücklich". Die tägliche Turnstunde werde "auch aus budgetären Gründen nicht so diskutiert, wie ich es gerne hätte", sagt er. Sport habe in der Gesellschaft keinen hohen Stellenwert, nur zwanzig Prozent der Österreicher würde überhaupt Sport treiben. In den Nationen, mit denen Österreich sich vergleichen könne, gebe es wesentlich mehr Sport in Schule und Kindergarten.
"Eine Sportstunde täglich"
Experten wie Peter Wittmann, Präsident der Bundes-Sportorganisation (BSO) und des ASKÖ, fordern seit langem mehr Sport in der Schule. Auch Peter Kleinmann, Präsident des Volleyball-Verbandes, zählt zu den Kritikern des Schulsports in Österreich. Er ist laut "Ö1 Morgenjournal" davon überzeugt, dass Österreich mit mehr Turnstunden in der Schule bei den Olympischen Spielen besser abgeschnitten hätte. Derzeit steuere man auf ein Desaster zu. Er fordert daher eine tägliche Sportstunde für Schulkinder.
Kinder sollen bis zum zehnten Lebensjahr Sport betreiben, um die Feinmotorik zu schulen. Ohne diesen frühen Sport seien Weltklasse-Leistungen praktisch ausgeschlossen. Dass Kindergartenpädagogen nicht nur für Sport schlecht ausgebildet seien und auch noch für Unfälle beim Sport haften, betrachtet Kleinmann als problematisch. Daher werde im Kindergarten der Sport verhindert. Dasselbe Problem bestehe auch in den Volksschulen.
Turnstunde auch als Lernmotivation
In Österreich würden sich laut Umfragen nur 28 Prozent der Kinder sportlich bewegen. Im Vergleich: In Schweden seien es 72 Prozent. "Da frage ich mich, wie wir irgendwas gewinnen wollen", so Kleinmann. "Was ist wichtiger als Bewegung? Warum muss man 100 Prozent der Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen, aber nur 28 Prozent bewegen sich. Ich finde das unerhört." Zudem lerne man auch besser, wenn man Sport betreibe.
In diese Kerbe schlägt auch der grüne Bildungssprecher Harald Walser: "Wir brauchen die tägliche Turnstunde als Bewegungs- und Lernmotivation." Die Stundenkürzung im Bewegungsunterricht müsse zurückgenommen werden, denn Gesundheit und Bildung stünden in engem Zusammenhang, wie einschlägige Untersuchungen zeigen. Das Ziel muss tägliche Bewegung für alle heißen, für bessere Gesundheit und besseres Lernen. "Wenn bei der täglichen Turnstunde später ein paar Olympiamedaillen herausschauen, umso besser", sagt Walser.
(Red.)