Von Sport, Politik und Kopflosigkeit

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Die Bundesregierung sieht zwar Handlungsbedarf, aber die involvierten Ministerien fühlen sich nicht verantwortlich. Das Thema Schulsport wird heiß diskutiert.

Wien. Das medaillenlose Unglück bei den Olympischen Sommerspielen in London beschäftigt seit Tagen nicht nur die Spitzenfunktionäre des heimischen Sports, sondern auch die Politik. Auch der Bundeskanzler hat sich nun nach dem Ministerrat zu Wort gemeldet, Werner Faymann aber kam dabei über mehr oder weniger schwammige Formulierungen nicht hinaus. Er rang sich aber immerhin zu einer Maßnahme durch, denn er fordert ein Gesamtkonzept ein. Faymann sei überzeugt, dass es Sportminister Norbert Darabos gelingen werde, ein neues Sportgesetz zustande zu bringen. Die Debatte darüber werde wohl mit vielen Emotionen behaftet sein, sie dürfe aber nicht auf dem Rücken der Sportler ausgetragen werden.

Was die von Darabos angeregte tägliche Turnstunde angeht, zeigten sowohl Faymann als auch Vizekanzler Michael Spindelegger nach dem Ministerrat Sympathien dafür. Beide machten aber klar, dass dieser zusätzliche Schulsportunterricht nicht allein zu besseren Ergebnissen im Spitzensport führen würde. Die Turnstunde für medaillenlose Spiele verantwortlich zu machen, lehne er jedenfalls ab, betonte der Kanzler.

Keine Lösungsvorschläge

Die Unterrichtsministerin reagierte auf die aufkeimende Kritik schnippisch. „Ich weise das dezidiert zurück“, sagte Claudia Schmid, die Misserfolge des Team Austria könne man ihr nicht anlasten. „Wären die Spiele erfolgreich verlaufen, hätte auch niemand gesagt, das liegt am Sportunterricht.“ Es sei obendrein nicht sinnvoll, nun reflexartig irgendeinen Schuldigen zu suchen. Dem Wunsch des Sportministers nach einer täglichen Turnstunde kann die Unterrichtsministerin nichts abgewinnen. Denn den Sportverbänden habe man ohnedies schon ermöglicht, Kooperationen mit Schulen einzugehen, obendrein würden Schulen mit Sportschwerpunkten zur Verfügung stehen. Und außerdem sei alles eine Frage des Stundenplans.

Sehr unkonkret auch die Vorstellungen von Vizekanzler Michael Spindelegger. Die Jugend, so meint er, müsse man früh fördern – Lösungsvorschläge dazu hat er aber keine. Wunder, so sagt Spindelegger, würde er sich von einer täglichen Turnstunde keine erwarten. Diese hätte auf den Spitzensport seiner Meinung nach auch keine großen Auswirkungen. Auch Gesundheitsminister Alois Stöger wollte sich zunächst auf nichts festlegen. Dass sich Kinder und Jugendliche täglich bewegen sollen, das sei unbestritten. Ob dies in der Schule stattfinden müsse, das sei eine andere Frage.

Dass es mit dem Schulsport in Österreich nicht gut bestellt ist, das ist jedoch unbestritten. Fakt ist, dass die generelle Kürzung der Unterrichtsstunden im Jahr 2003 vielfach zulasten des Sportunterrichts gegangen ist. Der Rechnungshof hat dies auch im Jahr 2008 in seinem Bericht kritisiert. Des Weiteren hat der Rechnungshof darauf verwiesen, dass an Volks- und Hauptschulen zu oft Personal ohne entsprechende Sportausbildung eingesetzt wird. Insgesamt, so das Prüforgan, wurde der Sportunterricht seit 2003 um bis zu fünf Prozent gekürzt.

Dann eben Völkerball

An AHS (Unterstufe) und Hauptschule gibt es über vier Jahre gerechnet eine Turnstunde weniger. Berufsbildende mittlere und höhere Schulen haben im Rahmen der Autonomie noch mehr gestrichen. In manchen Klassen, so der Rechnungshof, gibt es nur eine oder in Abschlussklassen gar keine Turnstunde. Keinen verbindlichen Sportunterricht gibt es an den Berufsschulen. In den Volksschulen schreitet der Klassenlehrer in den Turnsaal, speziell ausgebildetes Personal steht in der Regel dafür nicht zur Verfügung. Das Resultat davon lautet dann oft – Völkerball.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2012)

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