Österreichs Sport fehlt es an allem – nicht nur an Turnstunden.
Wenn es darum geht, einen Schuldigen für das großteils desaströse Abschneiden der Österreicher bei Olympia zu finden, entwickeln Funktionäre und Politiker ungeheures Potenzial. Einige schwingen sich da zu Höchstleistungen, die wir uns eher bei den Sommerspielen in London erhofft haben, auf. Auch im Abblocken gehören wir zum Kreis der absoluten Weltklasse.
Der Sportminister prangert die Blockierer an, die Unterrichtsministerin versteht die Diskussion um die tägliche Turnstunde nicht, der Gesundheitsminister will sich lieber gleich auf gar nichts verbindlich festlegen. Immerhin fordert der Bundeskanzler ein Gesamtkonzept, auf dass der rot-weiß-rote Sport erfolgreich werde. Werner Faymann will sich ja irgendwann einmal wieder an der Seite von siegreichen Sportlern ins Bild rücken. Die Chancen dazu stehen gar nicht so schlecht, denn bei der nächsten Großveranstaltung, der Ski-WM in Schladming, werden die Österreicher mit der Konkurrenz leichter Schlitten fahren als in London. Aber auch im alpinen Bereich wurde stark abgebaut, das haben die Winterspiele 2010 in Vancouver verdeutlicht. Damals hat man die sinkende Zahl der Schulskikurse ins Treffen geführt. Heute wird lautstark die tägliche Turnstunde gefordert.
Österreichs Sport fehlt es an fast allem. Vor allem aber an Siegertypen, die sich trotz fehlender Rahmenbedingungen zum Ziel setzen, die Besten werden zu wollen. Die Seisenbachers und Hagaras aber werden immer seltener, weil unser Sportsystem nur auf Zufall aufgebaut ist.
wolfgang.wiederstein@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2012)