Berlakovich: "Bei Bauern entdeckt man keine Goldgrube"

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Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) verteidigt die steuerliche Pauschalierung von Landwirten und würde es „unterstützen“, diese Form der Steuerermittlung auch auf Unternehmen auszuweiten.

Die Presse: Stellen Sie sich auf einen „heißen Herbst“ ein?

Nikolaus Berlakovich: Ich war der Erste, der gesagt hat, dass es für die Bauern in die heiße Phase geht. Denn wir befinden uns in der Endphase der Verhandlungen zum EU-Budget und zur gemeinsamen Agrarpolitik.

Staatssekretär Andreas Schieder hat Ihnen einen heißen Herbst angekündigt. Er will die Förderungen für die Bauern kürzen und anders verteilen.

Ich finde es eigenartig, dass Schieder einen heißen Herbst angedroht hat. Das ist kein Stil, den man in der Koalition pflegen sollte.

Aber die Förderdebatte wird jetzt doch wieder heftig geführt.

Sobald die SPÖ die Bauern entdeckt, muss Wahlkampf sein. Niemand ist an einem vorgezogenen Wahlkampf interessiert. Wir sind in einer schwierigen Phase, es geht um die Stabilisierung Europas, um die Rettung des Euro, um Klimaschutz und Ausbau der erneuerbaren Energien. Mir ist es ein Anliegen, dass wir mit dem Koalitionspartner an einem Strang ziehen und für die österreichischen Bauern die optimale Lösung erzielen.

Es sollte um die gesamte Bevölkerung gehen. Die ist vielleicht nicht damit einverstanden, dass Bauern massiv gefördert und durch die Pauschalierung steuerlich begünstigt werden.

Bei der gemeinsamen Agrarpolitik muss es zwei Profiteure geben: die Bauern, aber auch die Konsumenten. Die Konsumenten bekommen durch die Agrarpolitik leistbare Qualitätslebensmittel, eine intakte Umwelt und eine gepflegte Landschaft. Bei der Pauschalierung geht es darum, ein unbürokratisches System der steuerlichen Erfassung zu haben, das sich bewährt hat.

Es gibt aber einen Steuerberater („Die Presse“ berichtete, Anm.), der beim Verfassungsgerichtshof dagegen vorgeht. Auch Arbeiterkammer und SPÖ wollen das System stark reformieren.

Die permanenten Attacken der Arbeiterkammer auf die Landwirtschaft sind bekannt, es ist unverständlich, warum sie hier den sozialpartnerschaftlichen Konsens verlässt. Ich darf nur daran erinnern, dass in Österreich zweieinhalb Millionen Menschen keine Einkommensteuer zahlen, weil ihr Einkommen zu gering ist. Und nachdem in der Landwirtschaft die Einkommenssituation nicht rosig ist, fallen auch Teile darunter.

Durch die Pauschalierung werden aber nicht nur kleine Betriebe begünstigt.

Große landwirtschaftliche Betriebe sind buchführungspflichtig.

Die ganz großen schon, aber davon gibt es in Österreich nicht viele.

Die Vollpauschalierung gilt bis zu 100.000 Euro Einheitswert, aber auch mittlere Betriebe fallen schon in die Buchführungspflicht. In Ackerbauregionen sind das auch schon Betriebe mit 50 Hektar. Der ÖVP-Bauernbund hat einen Vorschlag zur Reform des Einheitswertes erarbeitet. Aber die SPÖ bremst bei den Verhandlungen, das ist schade.

Auch Betriebe mit 100 Hektar und mehr sind vollpauschaliert. Im Durchschnitt zahlt ein landwirtschaftlicher Betrieb 260 Euro Einkommensteuer.

Das ist eine Milchmädchenrechnung. Wenn ich alle Betriebe zusammenzähle, auch die vielen kleinen, komme ich vielleicht auf so einen Wert. Aber ein Betrieb mit 100 Hektar in einer Ungunstlage mit schlechter Bodenqualität hat auch einen geringen Einheitswert.

Ein Betrieb mit 100 Hektar in einer Gunstlage dagegen macht leicht 50.000 Euro Gewinn. Ein Angestellter kann sich mit so einem Einkommen nicht um seine Steuerpflicht drücken.

Sie wissen genau, in der Landwirtschaft gibt es gute und schlechte Jahre. Ein pauschalierter Betrieb zahlt jedes Jahr seine Steuer, auch wenn er Verluste macht. Und so gleicht sich das über die Jahre aus.

Sie sagen immer, die Bauern sind Unternehmer. Wer vollpauschaliert ist, muss ja nicht Buch führen. Das ist ein Widerspruch, denn ein Unternehmer sollte seine Zahlen kennen.

Sie können sicher sein, dass die Bauern ihre Zahlen kennen. In der landwirtschaftlichen Beratung gibt es einen Schwerpunkt, das betriebswirtschaftliche Denken einzuführen.

Wenn das wirklich so ist, könnten die Bauern ja einfach ihre Steuererklärung machen und beim Finanzamt abgeben.

Die Bauern haben ja eine Steuererklärung, indem sie pauschal steuerlich erfasst werden. Das Wesen der Pauschalierung ist nicht, dass die Bauern keine Steuern zahlen, sondern dass die Steuererfassung unbürokratisch ist. Jeder kann freiwillig eine Buchführung machen. Der Sinn ist auch, dass sich der Staat einen Verwaltungsaufwand erspart. Jeder, der glaubt, er entdeckt bei den Bauern eine Goldgrube, wenn er die Pauschalierung abschafft, der irrt.

So ein unbürokratisches System würden sich viele andere Selbstständige auch wünschen.

Das unterstütze ich. Wenn andere Klein- und Mittelbetriebe auch eine steuerliche Pauschalierung hätten, wäre das sicher ein Beitrag zur Entbürokratisierung.

Ab welcher Größe sollte ein landwirtschaftlicher Betrieb in Ihrem Modell Buch führen müssen?

Wir sind bei der Höhe gesprächsbereit.

Wo ist für Sie die Untergrenze?

Das werde ich Ihnen jetzt nicht sagen, sonst müssen wir mit der SPÖ keine Verhandlungen führen.

Die SPÖ fordert Buchführungspflicht ab 30.000 Euro Einheitswert.

Ja, aber das ist unrealistisch. Die SPÖ sagt, sie will die kleinen Bauern unterstützen. Hier kann sie beweisen, dass sie wirklich etwas für die kleinen Bauern tut.

Auf einen Blick

Landwirtschaftsbetriebe können sich für die Einkommensteuer „pauschalieren“ lassen. Basis sind Einheitswerte, die zuletzt 1988 festgelegt wurden. Bei bis zu 100.000 Euro Einheitswert gilt die Vollpauschalierung, bei der die Pflicht zur Buchführung entfällt. Laut Arbeiterkammer gilt diese für 90Prozent der heimischen Bauern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2012)

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