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Russland: Zwei Jahre Arbeitslager für Pussy Riot

Pussy Riot
Pussy Riot(c) EPA (MAXIM SHIPENKOV)
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Ein Moskauer Gericht hat die drei Musikerinnen der Punkband schuldig gesprochen. Sie mussten sich wegen "Rowdytums" verantworten, weil sie die öffentliche Ordnung verletzt hätten.

Die Entscheidung im Prozess gegen drei Musikerinnen der russischen Punkband Pussy Riot ist gefallen. Kurz nach 13 Uhr verlas Richterin Marina Syrowa den Urteilsspruch. Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina Samuzewitsch seien schuldig im Sinne der Anklage, hätten "kriminelle Vorhaben" begangen und die "öffentliche Ordnung" verletzt. Weiters hätten sie während den Verhandlungen "keine Reue gezeigt". Die Bekanntgabe des Strafmaßes folgte zwei Stunden später: je zwei Jahre Haft in einem Arbeitslager. Die Untersuchungshaft von knapp sechs Monaten werde angerechnet, so die Richterin.

Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich drei Jahre Haft beantragt. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Die Anwälte von Pussy Riot wollen das Urteil in der nächsten Instanz anfechten.

Tolokonnikowa, Alechina und Samuzewitsch mussten sich vor Gericht wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" verantworten. Sie hatten im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein "Punkgebet" gegen Russlands damaligen Regierungschef und heutigen Präsidenten Wladimir Putin aufgeführt. Dieser hatte sich für ein "nicht zu hartes" Urteil ausgesprochen.

Festnahmen vor dem Gerichtsgebäude

Die Moskauer Polizei hatte das Gerichtsgebäude vor der Urteilsverkündung weiträumig abgesperrt. Hunderte Unterstützer der Frauen hatten sich versammelt. Nach dem Schuldspruch kam es zu Tumulten, mehr als 30 Demonstranten wurden festgenommen. Unter ihnen befanden sich auch der Oppositionsführer Sergej Udalzow und der ehemalige russische Schachweltmeister Garri Kasparow. Das berichtete die Nachrichtenagentur "Interfax".

Auch Gegner der Angeklagten - vorwiegend Ultranationalisten und strenggläubige orthodoxe Christen - waren auf die Straßen gegangen. Sie sprachen sich für strenge Strafen für die Aktionskünstlerinnen aus. Manche forderten sogar die Verbrennung der Frauen, wie der deutsche Sender "n-tv" berichtete. Zuhörer im Saal riefen nach Bekanntgabe des Strafmaßes "Schande!" Auch in Wien sollte am Freitagnachmittag eine Protestkundgebung gegen das Urteil stattfinden.

Sechs Sympathisanten der russischen Punkband "Pussy Riot" haben sich aus Protest gegen den Schuldspruch für die Musikerinnen an den Zaun der russischen Botschaft in Berlin gekettet. Die Polizei schnitt die Demonstranten los und nahm ihre Personalien auf. Die Demonstranten werden laut Polizeisprecherin wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angezeigt.

"Kreml will Exempel statuieren"

Das Urteil sorgt international für Kritik. "Ziel ist es, ein Exempel zu statuieren und die Opposition im Land einzuschüchtern", sagte Anwalt Nikolai Polosow der Deutschen Presse-Agentur. "Das Urteil ist nicht nur der Versuch, die drei jungen Frauen zum Schweigen zu bringen", sagte Amnesty-Expertin Friederike Behr am Freitag in Berlin. "Es soll auch eine Warnung an alle anderen sein, die es wagen, Präsident Wladimir Putin und seine Regierung zu kritisieren."

Der Menschenrechtsbeauftragte des Kreml, Michail Fedotow, sprach von einem "gefährlichen Präzedenzfall". Die deutsche Bundesregierung hat das Verfahren ebenfalls kritisiert. Das Verhalten gegenüber den Frauen sei "völlig unverhältnismäßig".

Auch im Internet löste der Schuldspruch eine Welle der Empörung aus. Von Russland über Europa bis in die USA und Australien machten Nutzer von Sozialen Netzwerken ihrem Unverständnis Luft. So schrieb etwa die deutsche Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck via "Twitter": "Im Gericht stehen sich das schöne, moderne und das muffige alte SU (Sowjetunion) Russland gegenüber." In einer Facebook-Gruppe zugunsten des Punk-Kollektivs schrieb eine Nutzerin aus Puerto Rico, Pussy Riot habe der ganzen Welt gezeigt, wie es um die Menschenrechte in Russland bestellt sei.

"Wir gewinnen sowieso"

Die drei Musikerinnen gaben sich vor dem Prozessfinale siegessicher. "Ganz egal wie das Urteil lautet: Wir und Ihr gewinnen sowieso", schrieb die Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa. "Wir haben gelernt, wütend zu sein und politisch zu sprechen." Zu einem Gnadengesuch an Putin meinte die Musikerin darin: "Machen Sie Witze? Natürlich nicht. Eher sollte er uns und Sie um Gnade bitten". Der Brief aus der Untersuchungshaft an ihre Unterstützer wurde am Donnerstag auf dem Internetblog ihres Anwalts Mark Fejgin veröffentlicht.

"Unsere Inhaftierung ist ein klares und vernehmbares Signal dafür, dass sie dem ganzen Land die Freiheit nehmen", schrieb Tolokonnikowa. "Wir und Ihr gestalten derzeit eine große und wichtige politische Bewegung, und Putins System kann immer schwieriger damit umgehen."

(Red./APA)

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