Der ehemalige Schachweltmeister soll bei einer Kundgebung einen Beamten gebissen haben. Beobachter rechnen mit einer Abmilderung der Strafe für die Pussy-Riot-Musikerinnen.
Dem viel beachteten Pussy-Riot-Prozess könnte bald ein Kasparow-Prozess folgen. Denn dem russischen Ex-Schwachweltmeister und Regierungskritiker Garri Kasparow drohen nach seiner Festnahme am Rande des Urteilsspruchs gegen Mitglieder der Punkband Pussy Riot bis zu fünf Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 49-Jährigen nach Informationen der Agentur Interfax vor, einen Beamten gebissen zu haben. Kasparow wies die Anschuldigung am Samstag zurück.
Insgesamt nahm die Polizei knapp 100 Menschen rund um das Gericht vorübergehend fest, darunter auch Gegner der zu zwei Jahren Haft verurteilten Mitglieder von Pussy Riot. Die Frauen waren nach einer Aktion im Frühjahr gegen den damaligen Premier Wladimir Putin - nun erneut Präsident - in der Erlöserkathedrale in Moskau wegen Rowdytums aus religiösem Hass schuldig gesprochen worden. Sie sollen für zwei Jahre ins Straflager.
Beobachter rechnen jedoch mit einer Abmilderung der Strafe. Russische Medien äußerten am Samstag die Erwartung, dass die Strafe in einem Berufungsverfahren reduziert werden dürfte. Vermutlich würden die Verurteilten schon einen Monat nach dem Verfahren in die Freiheit entlassen, sagte Denis Dwornikow von der Zivilen Kammer, die russische Behörden berät, der Nachrichtenagentur Interfax.
Nach der Berufung durch die Verteidiger werde das zuständige Moskauer Gericht vermutlich die Strafe von zwei Jahren Lagerhaft in ein Jahr verwandeln und "diese Idiotinnen freilassen, damit sie ihre Kinder und Angehörigen wiedersehen können", schrieb die Zeitung "Komsomolskaja Prawda" am Samstag.
Die im Gegensatz dazu kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" schrieb, ohne Präsident Wladimir Putin namentlich zu nennen: "Das Urteil ist ein Teil des Dammes, der die Macht verteidigt, vor dem Hintergrund fallender Zustimmungswerte des ersten Mannes im Staat, des erwachenden politischen Bewusstseins der urbanen Mittelklasse, säkularer Medien und der Modernisierung des Bewusstseins. (...) Mit diesem Urteil beweist die Führung, dass sie die Repressionen fortsetzen wird, manchmal auch unter dem Banner der Religiosität."
Das russische Außenministerium äußerte sich nicht direkt zu dem Urteil. Es veröffentlichte aber am Samstag eine Erklärung, in der die in westlichen Staaten verhängten Strafen für "Rowdytum" an religiösen Orten aufgelistet wurden. Präsident Putin hatte sich Anfang des Monats gegen ein "zu hartes" Urteil ausgesprochen, zu der Gerichtsentscheidung äußerte er sich bisher nicht. Putin habe nicht das Recht, dem Gericht seine Meinung aufzuzwingen, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow nunmehr der Webseite PublicPost.ru. Die mit der Staatsführung verbundene russisch-orthodoxe Kirche forderte nach dem Urteil "Milde" für die drei Frauen.
(APA/dpa)