Anleitung: Wir basteln eine Partei

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Frank Stronach gründet eine Partei. Sie auch? Wer damit erfolgreich sein will, sollte einige Kriterien erfüllen. Und das nötige Kleingeld haben. Eine kleine Anleitung.

Man nehme einen bald 80-jährigen Industriellen – nennen wir ihn Frank Stronach – zur Hand, der fast alles erreicht hat, ein Unternehmen gegründet und zum Weltkonzern ausgebaut hat, der Milliarden verdient hat, der bekannt ist und irgendwie ungewöhnlich, der trotzdem noch Politiker werden will und alles oder wenigstens vieles dafür zu geben bereit ist.

Dann lässt man diesen Frank Stronach eine Partei gründen. Mitstreiter suchen und finden (und seien es bloß C-Promis). Breitflächig in Boulevardmedien inserieren. Eine Kolumne in der „Kronen Zeitung“ schreiben. Den Euro verteufeln. Sogenannte Golden Rules formulieren („Wer das Gold hat, macht die Regeln“). Als Spitzenkandidat seiner Bewegung bei der Nationalratswahl im nächsten Jahr kandidieren. Den Nationalratseinzug schaffen.

Den Nationalratseinzug schaffen? Ist es wirklich so einfach? Theoretisch schon. Praktisch eher nicht. Sich eine Partei zu basteln ist im Grunde keine Kunst – eine, die zumindest kurzfristig erfolgreich sein soll, dagegen schon.

Wie das geht? Eine kleine Anleitung: Der erste Schritt ist relativ leicht. Partei wird, wer eine Satzung beim Innenministerium hinterlegt und danach in einem periodischen Druckwerk veröffentlicht. Rund 930 sind in Österreich derzeit registriert – die meisten haben allerdings Papierleichenstatus.

Anderssein reicht. Denn die Schwierigkeiten beginnen, wenn die Bewegung bei einer Nationalratswahl antreten will. Ein echtes Parteiprogramm ist dafür nicht vonnöten. Es reicht zum Beispiel aus, für eine lebenswertere Demokratie einzutreten. Oder so ähnlich. Allerdings braucht es für eine bundesweite Kandidatur 2600 Unterstützungserklärungen oder die Unterschriften von drei Nationalratsabgeordneten. Diese Hürde nehmen nur die wenigsten.

Dabei warten die eigentlichen Herausforderungen erst nach diesen Formalakten. Um gewählt zu werden, müssten „drei Voraussetzungen“ erfüllt werden, sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Oder aber einer dieser Faktoren sei dermaßen stark ausgeprägt, dass er die anderen Lücken zu schließen vermag. Erstens nämlich: „eine Organisation bis auf die Wahlbezirksebene hinunter.“ Zweitens: Geld. Und drittens: Medienpräsenz. Sprich: „Sie brauchen ein Thema, das emotionalisiert.“

Das zumindest hätte Filzmaier vor einem Jahr noch behauptet. Mittlerweile reiche es schon aus, anders zu sein als die anderen. Denn die Datenlage habe sich seither stark geändert: Mehr als zwei Drittel der Wähler seien mit der Regierung unzufrieden. Das Gleiche gelte allerdings auch für die Oppositionsparteien. Da es vier Drittel nicht gebe, müsse es eine große Schnittmenge zwischen diesen beiden Gruppierungen geben, die jede neue Bewegung – wenn sie sich nur vom Mainstream abhebt – willkommen heiße, erklärt Filzmaier. „Wir haben einen Zustand der politischen Entsachlichung erreicht. Das geht bis an die Spaßgrenze.“

Man könnte, sagt der Politologe, beispielsweise eine Bewegung namens „Winnetous Apachen“ gründen und Slogans erfinden wie: „Lieber echte Rote als falsche Blaue.“ Oder: „Blutsbrüderschaft statt unehrlicher ÖVP-Nächstenliebe.“ Mit einem aus Funk und Fernsehen bekannten Spitzenkandidaten, ihm selbst etwa, wäre ein solches Projekt durchaus vielversprechend: „Wir hätten zumindest kurz- und mittelfristig eine Chance – auch wenn ich das aus demokratiepolitischen Gründen natürlich niemals tun würde.“

Man muss eine Marke sein. Das führt geradewegs zur nächsten Komponente einer erfolgreichen Parteigründung: Ohne Marke geht es nicht. Das kann die Partei selbst sein – siehe Piraten. Oder aber der Spitzenkandidat. „Man hat mich eben gekannt“, beschreibt Fritz Dinkhauser, vormals Präsident der Arbeiterkammer Tirol, Vorstandsmitglied im Hauptverband der Sozialversicherungsträger und Olympiateilnehmer im Viererbob, seinen Startvorteil bei der Tiroler Landtagswahl im Juni 2008. Sein Bürgerforum erreichte auf Anhieb 18,3 Prozent der Stimmen.

Wobei Dinkhauser auch ein anderes Kriterium erfüllte: Indem er die Tiroler Agrargemeinschaften und damit die Frage thematisierte, wem Grund und Boden eigentlich gehören, gelang es ihm, die Bevölkerung zu emotionalisieren. Zum Leidwesen seiner ehemaligen Parteifreunde in der ÖVP.

„Man braucht ein Zugpferd – eine Person, mit der man etwas verbindet“, findet auch Heide Schmidt, die sich 1993 mit vier Abgeordnetenkollegen von der FPÖ abspaltete und das Liberale Forum (LIF) aus der Taufe hob. Diese Rolle war ihr damals selbst zugedacht – das Ergebnis, sechs Prozent beim Erstantritt 1994, lag aber nicht nur in der Person Schmidt begründet. „Wir hatten davor schon einen Klub im Parlament und auf diese Weise nicht nur eine Grundfinanzierung, sondern auch eine Basis, von der aus wir Öffentlichkeitsarbeit machen konnten. Das erleichtert so einiges“, sagt Schmidt.

Zweckdienlich ist es auch, wenn man von einem breitenwirksamen Medium – nennen wir es „Kronen Zeitung“ – unterstützt wird. Der frühere Journalist und EU-Kritiker Hans-Peter Martin, der seine Liste 2004 mit 14 Prozent ins Europäische Parlament führte, hätte da vielleicht einige Belege – wohlwollende Berichte, Leserbriefe und Hausgedichte – vorzuweisen. Tut er aber nicht: Es sei eine „Mär“, dass er seine Erfolge vor allem der „Krone“ zu verdanken habe.

Der Mehrheitsmeinung in Österreich entspricht das aber eher nicht. Die „Kronen Zeitung“ habe „einen ganz massiven Einfluss“ auf das Wahlverhalten. „Ohne ihre Unterstützung wäre ein Hans-Peter Martin im Nirgendwo gelandet“, meint etwa Fritz Dinkhauser.

Anderswo teilt er dafür Martins Sicht der Dinge: Vorsicht sei vor allem bei den Mitstreitern geboten. „Es ist fast unmöglich, kluge und verlässliche und erfahrene Personen zu finden“, weiß Martin aus eigener leidvoller Erfahrung zu berichten (einige Weggefährten warfen ihm später vor, sich persönlich aus Steuermitteln bereichert zu haben; bewiesen wurde das nie). Viele seien wieder abgesprungen, weil sie dem öffentlichen Druck nicht standhielten. Daher sei er gezwungen gewesen, Leute auf seine Liste zu setzen, „bei denen ich von Anfang an Bauchweh hatte“. Merke also: Bei jenen, die sich politisch engagierten, handle es sich oft um „sehr seltsame Personen“.

Und dann wäre da noch die Frage, ob es nicht auch eines schlüssigen Programms bedarf, um den Wähler von der neuen Partei überzeugen zu können? „Ja“, sagt Heide Schmidt, „ein Parteiprogramm ist unerlässlich. Man muss sehr wohl einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag leisten wollen.“ – „Nein“, sagt hingegen Peter Filzmaier. „Fürs Erste reichen derzeit Schlagworte aus.“ Langfristig gilt das freilich nicht – aber das ist ohnehin eine andere Geschichte.

Kriteriencheck. Man nehme also einen bald 80-jährigen Industriellen – nennen wir ihn Frank Stronach – zur Hand und mache einen kleinen Kriteriencheck, bevor die politische Bastelübung beginnen kann. Die bundesweite Kandidatur dürften ihm fahnenflüchtige Abgeordnete aus anderen Parteien ermöglichen. Eine Marke? Ist er. In den Medien präsent? Das kann man wohl sagen. Selbst die Unterstützung der „Kronen Zeitung“ scheint ihm sicher: In der Sonntagsbeilage hat Stronach seit geraumer Zeit eine Kolumne namens „Franks Welt“.

Parteistrukturen bis in die Bezirke werden sich hingegen nicht so schnell schaffen lassen. Und das Themen-Setting ist, gelinde gesagt, verbesserungswürdig (von einem Parteiprogramm ganz zu schweigen): Europhobisch sind nämlich andere auch. Aber dafür hat Stronach etwas, was durchaus in der Lage ist, seine Schwächen auszumerzen: Er hat Geld. Viel Geld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2012)

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