Kavlak: "Es muss ein Ruck durch Österreich gehen"

Veli Kavlak Ruck muss
Veli Kavlak Ruck muss(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Amir Beganovic)
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Fußball-Teamspieler Veli Kavlak spricht im Interview mit der "Presse" über das fehlende "Wir-Gefühl", die Tücken der türkischen Medien und unpünktliche Gehaltszahlungen, die völlig normal sind.

Herr Kavlak, wie haben Ihre türkischen Klubkollegen bei Beşiktaş Istanbul auf Ihren Treffer und den 2:0-Sieg Österreichs über die Türkei reagiert?

Veli Kavlak: Die meisten mussten schmunzeln, dass mir ausgerechnet gegen die Türkei mein erstes Teamtor gelang. Trainer Samet Aybaba hat mir gratuliert und scherzhaft gemeint, ich solle künftig auch für Beşiktaş ein Tor schießen. Aber Spaß beiseite: Dieses Ergebnis tut dem Standing des österreichischen Fußballs in der Türkei gut. Als ich vor einem Jahr nach Istanbul gekommen bin, hatte man nicht die beste Meinung von uns.

Wie hat die türkische Presse auf die für sie unerwartete Niederlage reagiert?

Es gibt von allen Seiten Kritik, aber das ist hier nach jeder Niederlage so. Türken sind sehr emotionale Menschen.

Was macht Ihnen Hoffnung, dass sich Österreich für die WM 2014 qualifiziert?

Teamchef Koller kann auf viele Legionäre aus internationalen Topligen bauen. Die spielen nicht ihrer schönen Haare oder ihres Aussehens wegen, sondern weil sie Woche für Woche bei ihren Klubs Leistung bringen und Qualität besitzen. Ein Faktor, der sich auch auf das Nationalteam überträgt. Aber das allein reicht nicht.

Was benötigt es noch?

Es muss ein Ruck durch das ganze Land gehen. Wir brauchen die Unterstützung der Fans wie einen Bissen Brot, müssen ein „Wirgefühl“ entwickeln. Die WM-Qualifikation können wir nur gemeinsam schaffen.

Hat die bedingungslose Unterstützung der Fans in der Vergangenheit gefehlt?

Doch, ja. Um einen Vergleich anzustellen: Wenn die Türkei gegen Kasachstan spielt, sind trotzdem 50.000 Fans im Stadion. Auch bei Beşiktaş können wir, unabhängig vom Namen des Gegners, auf vollste Unterstützung zählen. Diese Euphorie treibt uns Spieler an, man wächst über sich hinaus. Genau das müssen wir im Nationalteam.

Gute Stimmung ist Ihnen aus dem Hanappi-Stadion nicht fremd. Die Türkei gilt allerdings als noch lauteres Pflaster.

Weil die Fans noch heißblütiger sind. Die Atmosphäre in der Türkei ist einfach geil. Im Inönü, unserem Heimstadion, herrscht die beste Stimmung. Die Fangesänge und Schreie bekommen eine ganz eigene Akustik. Hinter dem Stadion liegt schon das Meer. Ich glaube, es liegt daran.

Fühlen Sie sich in der Türkei nach einem Jahr in Istanbul mittlerweile zu Hause?

Ich fühle mich wohl hier, meine Heimat ist und bleibt aber Wien. Wenn ich nach einem Kurzaufenthalt in Wien nach Istanbul zurückkehre, ist immer noch etwas Wehmut dabei.

Beşiktaş genießt einen weltweiten Fanzuspruch. Auch in Teilen Wiens findet sich eine große Anhängerschaft.

Das weiß ich nur allzu gut (lacht). Im 16. Bezirk gibt es viele Lokale, die jedes Spiel von Beşiktaş übertragen. Viele meiner Freunde und Familienmitglieder verfolgen dort meine Spiele.

Gewähren Sie uns einen privaten Einblick: Wie lebt es sich als Fußballprofi in einer fußballverrückten 13-Millionen-Einwohner-Metropole? Gehen Sie in der Masse unter, oder sehnen Sie sich nach Anonymität?

Ich kann mich wie meine Klubkollegen frei bewegen, die Fans respektieren die Privatsphäre. Allerdings gibt es Ausnahmen. Wenn es sportlich nicht gut läuft, kann es etwas unangenehm werden. Dann muss man auf der Straße mit einigen Sprüchen rechnen.

Rechnen muss man in der Türkei auch mit unregelmäßigen Gehaltszahlungen.

Daran gewöhnt man sich. Es kommt wirklich selten vor, dass ich mein Gehalt pünktlich überwiesen bekomme. Wichtig ist, dass ich es bekomme – und das war bis jetzt immer der Fall. Ob ein oder zwei Monate später, ist dann nicht weiter tragisch.

In der Vorsaison belegte Beşiktaş in der Liga Rang vier. Zählt diesmal nur der Titel?

Der Verein ist im Umbruch. Viele Spieler sind gegangen, neue gekommen. Wir wollen eine gute Saison spielen, uns nicht zu sehr unter Druck setzen lassen. Aber ich weiß ganz genau: Wenn wir zwei, drei Spiele hintereinander gewinnen, redet jeder vom Meistertitel.

In einem Interview haben Sie einen interessanten Vergleich gezogen. Demnach seien fünf Jahre bei Rapid wie ein Jahr bei Beşiktaş. Wie ist diese Aussage zu verstehen?

Bei Beşiktaş herrscht ständig Unruhe. Nach zwei Niederlagen in Folge ist schon alles schlecht. Der Druck von Fans und Medien ist enorm, viel größer als in Österreich. Daran muss man sich erst gewöhnen.

Lesen Sie deshalb keine Zeitungen und schalten nur selten den Fernseher ein?

Das ist der Grund, allerdings gab es dafür einen speziellen Auslöser. Mein erstes Spiel für Beşiktaş war nicht besonders gut. Als im Fernsehen ein Bericht über Beşiktaş lief, fielen mein Name und der Satz: „Wer hat denn den geholt?“ Und dass nach einem Spiel. Ich war zugegeben etwas gekränkt. Seitdem meide ich die türkischen Medien.

Einige Experten haben Ihnen den Durchbruch bei Beşiktaş nicht zugetraut. Verspüren Sie Genugtuung?

Ich bin niemand, der besonders viel Wert auf die Meinung anderer legt. Eines ist mir allerdings in Erinnerung geblieben: Ein österreichischer Journalist hat mich nach Bekanntwerden meines Transfers gefragt, ob mir der Verein denn überhaupt ein Trikot geben wird. Wenn ich diesen Journalisten jetzt sehe, denke ich mir meinen Teil. Auch wenn mein Auslandsengagement bislang sehr zufriedenstellend verlaufen ist, weiß ich einzuschätzen, woran ich bin. Das Geschäft ist zu schnelllebig, um sich ausruhen zu können.

Wohin soll Sie Ihr Karriereweg noch führen?

Beşiktaş soll nicht die Endstation sein. Ich will noch weitere Schritte machen. Italien hat eine attraktive Liga.

Geldprobleme

Die Süper Lig,Türkeis höchste Spielklasse, startete am Freitag in die neue Saison. Titelverteidiger ist Galatasaray Istanbul, das die vergangene Spielzeit vor Stadtrivalen Fenerbahçe beendete.

Veli Kavlak geht mit Beşiktaş Istanbul in seine zweite Saison und trifft Sonntagabend auf Istanbul BB. Der Klub steckt wie viele andere türkische Vereine in finanziellen Schwierigkeiten.

Trotz sportlicher Qualifikation (4.) wurde Beşiktaş aufgrund ausstehender Gehaltszahlungen an Exspieler von der Europa League ausgeschlossen.

1988
wird Veli Kavlak am 3. November in Wien geboren.

2005
kommt Kavlak im Trikot von Rapid Wien gegen Salzburg zu seinem ersten Bundesliga-Einsatz. Mit 16 Jahren, sechs Monaten und 19 Tagen ist er der jüngste jemals in der heimischen Bundesliga eingesetzte Spieler.

2007
gibt Kavlak unter Teamchef Josef Hickersberger sein Nationalteam-Debüt. Mittlerweile hält er bei 18 Team-Einsätzen.

2011
wechselt Kavlak von Rapid zu Besiktas Istanbul. Der Verein hatte sich lange Zeit um den Mittelfeldspieler bemüht. In seiner ersten Saison entwickelt sich Kavlak zur Stammkraft und wirkt bei 45 Pflichtspielen mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2012)

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