Unser Mann in Moskau

Der Mord an Erich Rebasso führte österreichische Polizisten für Ermittlungen nach Moskau. Eingefädelt hat das ein Verbindungsbeamter des Innenministeriums. Russische Medien behaupten nun: Die Mörder waren einst selbst Polizisten.

Sind ehemalige Polizisten die Mörder des Wiener Anwalts Erich Rebasso? Die russische Zeitung „Kommersant“ sagt: ja. Die beiden Männer seien bereits vor Jahren in Mafia-Kreise geraten und dafür ins Gefängnis gegangen. Sogar von einem Geständnis ist die Rede.

Doch auch andere Medien in Moskau beteiligen sich momentan an Spekulationen rund um den Fall. Anders als der österreichische Gerichtsgutachter kommt der Fernsehsender „5-tv“ zu dem Schluss: Der 48-Jährige wurde nicht erwürgt, sondern mit einem Baseballschläger erschlagen. Informationen, die die Behörden in Wien am Samstag nicht bestätigen konnten.

Sie stützen sich bisher auf die Angaben von Herrn K., der auch die Reise von zwei Sonderermittlern von Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt Wien zu den russischen Kollegen eingefädelt hat. K. ist der Verbindungsbeamte des Innenministeriums in der russischen Hauptstadt. Er und die beiden Spezialisten für den Fachbereich Organisierte Kriminalität unterstützten die russischen Behörden bis vergangenen Donnerstag bei den Ermittlungen. Dass sie dann jene Männer, die während ihres Aufenthalts in Moskau verhaftet wurden, sogar befragten, hat viele überrascht. Immerhin gilt die russische Polizei als Einheit mit Standesbewusstsein, die sich von ausländischen Behörden ungern sagen lässt, wie's geht.

Die Tatverdächtigen, die in dem Opfer offenbar jenen Mann sahen, der sie selbst um jeweils 50.000 bis 60.000 Euro im Rahmen eines Pyramidenspiels betrogen haben soll, sitzen inzwischen in U-Haft. Auch die Sonderermittler sind wieder an ihren Dienstort zurückgekehrt. Nur Herr K. hält nach wie vor die Stellung in der österreichischen Botschaft im Moskauer Arbat-Viertel. Er darf zufrieden sein.

Er war es nämlich, der den direkten Draht zur örtlichen Polizei hatte, den Informationsfluss zwischen Wien und Moskau aufrecht erhielt, alle wichtigen Beamten und Entscheider kannte. Über ihn lief auch die Information, dass jene E-Mail, in der die Absender 500.000 Euro Lösegeld von Rebassos Familie forderten, von Russland aus verschickt wurde – und es daher für die Russen erstens einen triftigen Grund gab, eigene Ermittlungen durchzuführen, und es zweitens sinnvoll sei, sich bei der Arbeit von Wien unterstützen zu lassen.

Eine ganze Woche lang begleiteten K. und die Spezialisten aus Wien Russlands Polizei. Von der Observation der Verdächtigen bis ins Verhörzimmer. Ein sicheres Indiz dafür, dass K.s persönliche Kontakte zur Moskauer Exekutive besonders gut sein müssen. So gut, dass man im konkreten Fall selbst im Innenministerium vom Umfang der Kooperationsbereitschaft der Russen überrascht war. „Eine Erpressung via E-Mail nach Österreich hat dort eigentlich einen untergeordneten Stellenwert“, sagt ein Beamter. Im Fall Rebasso, der für die Russen bis zum Fund der Leiche formal nicht mehr war als das, sei sehr viel über die „persönliche Schiene“ gelaufen. Und Beziehungen hat K. im Osten reichlich. Seit zehn Jahren hat die Polizei einen Verbindungsbeamten in Russland. Er selbst ist seit drei Jahren vor Ort. Vorher war er in Wien für Europol, im Kosovo sowie in der Ukraine tätig.


„Augen und Ohren“. Verbindungsbeamte sind gewissermaßen die „Augen und Ohren“ für Österreichs Polizei im Ausland. Gibt es einen Bezug zum Gastland, werden sie wie im Fall Rebasso aktiv. Sie nehmen Kontakt mit den zuständigen Behörden auf und unterstützen deren Tätigkeiten. Besonders häufig arbeiten sie mit den Zielfahndern des Bundeskriminalamts zusammen. Die Beamten agieren somit als Vermittler zwischen nationalen und internationalen Fahndern. Operative Befugnisse im betreffenden Staat haben sie aber keine.

„Für uns ist es wichtig, dass sie Kontakte zu den Polizei-, aber auch zu den Justizbehörden in den jeweiligen Ländern rasch und unbürokratisch herstellen“, sagt Ariane Holezek. Sie ist Leiterin des Referates für Attachéwesen im Innenministerium und hält mit allen 23 derzeit entsandten Verbindungsbeamten engen Kontakt. Diese haben ihren Dienstort in der Regel in den österreichischen Botschaften. Abseits aktueller Fahndungen zählen Analysen über die Auswirkungen internationaler Kriminalitätsentwicklungen mit Bezug zu Österreich zu den Kernaufgaben der Polizeiattachés. Zudem beobachten sie die Sicherheitslage im Gaststaat und „kabeln“ diese Informationen ohne diplomatischen Schönsprech regelmäßig in die Zentrale nach Wien. WikiLeaks lässt grüßen.

Der Posten in Moskau ist für das Innenministerium von ganz besonderer Bedeutung. Das riesige Land betrifft nämlich gleich eine ganze Reihe von Themen, die für die innere Sicherheit Österreichs relevant sind. An oberster Stelle steht die gemeinsame Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Drogen- und Menschenhandel inklusive. Ebenfalls von großer Bedeutung für Wien sind Kontakte zum russischen Migrationsdienst (Stichwort: Asylwerber aus Tschetschenien). Weitere Interessen betreffen Grenz- sowie Zivil- und Katastrophenschutz. Und auch der Verfassungsschutz greift immer wieder gerne auf die Kontakte von Verbindungsbeamten wie K. zurück.

Grundsätzlich dauert eine Entsendung vier Jahre, eine Verlängerung um weitere vier Jahre ist möglich. Die Stellen werden bundesweit ausgeschrieben, danach folgen Auswahlverfahren, Sprachtest (Englisch), Stresstest und Hearing. Wer alle Hürden nimmt, bekommt im Anschluss Sonderausbildungen von Kriminalpolizei, Verfassungsschutz und Bundesasylamt. Kurse für die Sprache des Gastlandes inklusive.

Bei den Entsendungen liegt der Schwerpunkt auf den Balkanstaaten und dem Nahen Osten. Die ersten Verbindungsbeamten wurden 2001 nach Serbien, Ungarn, Rumänien, Jordanien, Italien und in die Slowakei geschickt. Später folgten die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Zudem gibt es heute auch Attachés in Italien, Spanien, Thailand und Russland. In Moskau ist Österreichs Polizei seit zehn Jahren vertreten. Ende 2008 half K.s Vorgänger bei der Festnahme und Auslieferung eines Mannes, der 2005 eine Juwelierin in Wien ermordet hatte. Anfang 2011 unterstützte K. die Suche und Rückgabe eines in Moskau gestohlenen Lkws samt Ladung. Ebenfalls 2011 wirkte er an der Aufklärung des Diebstahls einer wertvollen Ikone mit.

In Thailand wiederum gibt es erst seit 2011 einen Polizeibotschafter. Er soll dort vor allem für die Bekämpfung des Kindersex-Tourismus agieren.

Wobei: Nicht immer hat die Kooperationsbereitschaft eines Landes ausschließlich mit der Vorarbeit der Verbindungsbeamten zu tun. Das könnte auch im aktuellen Fall mit Russland so sein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Moskau Wien die Affäre Golowatow nicht vergessen hat. Im positiven Sinn. Zur Erinnerung: Im Juli 2011 nahmen Grenzbeamte am Flughafen Schwechat den ehemaligen KGB-Oberst Michail Golowatow fest. Anlass war ein EU-Haftbefehl aus Litauen. Das Land wirft Golowatow vor, 1991 eine anti-sowjetische Protestaktion von Jugendlichen blutig niedergeschlagen zu haben. Trotzdem ließ Österreich den umstrittenen Geheimdienstmann innerhalb weniger Stunden und nach heftigen Interventionen hinter den Kulissen wieder frei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die Leiche des Anwalts ist in einem Waldstück im Bezirk Tulln entdeckt worden.
Österreich

Fall Rebasso: Entführer erstickten Wirtschaftsanwalt

Der von zwei russischen Staatsbürgern im August entführte Anwalt starb an einem gebrochenen Schilddrüsenknorperl. Das hat die Obduktion ergeben.
NIEDEROeSTERREICH: FALL REBASSO - VERMUTLICH LEICHE DES ANWALTS GEFUNDEN
Österreich

Ermordeter Anwalt Rebasso wird am Freitag beerdigt

Die Leiche des Juristen wurde bei Wien gefunden. Gegen die mutmaßlichen Täter ermittelt die Moskauer Justiz derzeit nur wegen Erpressung.
Bild von vergangener Woche: Die Leiche wurde in einem Wald bei Königstetten gefunden.
Weltjournal

Rebasso: Moskauer Justiz ermittelt nur wegen Erpressung

Die beiden Verdächtigen, die den Wiener Wirtschaftsanwalt Erich Rebasso entführt und getötet haben sollen, werden nicht an Österreich ausgeliefert
Die Untersuchungen in Österreich sind weitgehend abgeschlossen.
Österreich

Fall Rebasso: Ermittlungen in Österreich abgeschlossen

Die Polizei fand in der Wiener Innenstadtgarage auch außerhalb der Fahrzeuge Blutspuren des Opfers. Die inhaftierten Verdächtigen schweigen.
Anwalt ermordet Prozess Russland
Österreich

Anwalt ermordet: Prozess in Russland

Ein DNA-Vergleich brachte traurige Gewissheit: Die Leiche, die am Donnerstag in einem Wald in Niederösterreich gefunden wurde, ist jene des Anwalts Erich Rebasso.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.