UBS-Studie: "Österreich sieht alarmierend schwach aus"

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Das reale, verfügbare Einkommen in Österreich ist laut einer Studie der Großbank UBS seit dem Jahr 2000 um bis zu 35 Prozent gefallen. In Euro-Problemländern wie Griechenland sieht die Situation ganz anders aus.

Wien. Wer gehört zu den Gewinnern der Euroeinführung, wer zu den Verlierern? Viele Studien kamen bisher zu dem Ergebnis, die Österreicher stünden fest auf der Gewinnerseite. Eine neue Analyse der Großbank UBS fällt aber ein ganz anderes Urteil. Nirgends in der Eurozone sind die realen verfügbaren Einkommen seit 2000 stärker geschrumpft als in Österreich, so die UBS. Am stärksten gewachsen sind sie demnach in Griechenland. „Reales verfügbares Einkommen“ steht für jenes Geld, das nach Abzug der Steuern, Abgaben und der Inflation übrig bleibt.

„Österreich sieht alarmierend schwach aus“, schreiben die UBS-Analysten. So mussten die ärmsten zehn Prozent der Österreicher in den Jahren 2000 bis 2010 einen realen Einkommensverlust von rund 35 Prozent hinnehmen, während das reichste Zehntel mit „nur“ minus zehn Prozent davongekommen ist. Grund dafür sei vor allem die Inflation: „Was diese Zahlen tatsächlich zeigen, ist sehr schwaches Wachstum beim nominellen Einkommen, gekoppelt mit Inflation. Deutsche, Iren, die meisten Italiener sowie die französische Mittelklasse haben alle ein Sinken ihres Lebensstandards erleben müssen“, so die Analyse.

Der Süden profitierte

In den Euro-Problemländern Griechenland, Portugal und Spanien sieht die Situation ganz anders aus. Dort haben alle profitiert – die Armen sogar stärker als die Reichen. Deswegen geht es den Menschen in Athen aber noch lange nicht besser als jenen in Wien. Griechenland ist lediglich auf einem tieferen Niveau gestartet. Auch hier ist die Inflation Hauptgrund: Griechen, Spanier und Portugiesen sind hohe Teuerung und hohe Lohnabschlüsse gewohnt. Nach dem Eurobeitritt sank die Inflation, aber nicht die Lohnforderungen der Gewerkschaften. Heute ist das auch ein Problem für die Südländer, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

Zahlen, die beispielsweise die OECD berechnet, sind meist viel harmloser als die der UBS. Sie weisen für Österreich eigentlich ein reales Wachstum der Einkommen aus. Woher kommt die Diskrepanz?

UBS hat für die Analyse die Inflationsraten neu berechnet: für jede Einkommensklasse extra – denn die offizielle Inflationsrate spiegelt eher das Einkaufsverhalten der Oberschicht wider. „Es ist grundsätzlich teurer, arm zu sein, weil die Güter und Dienstleistungen, die von einkommensschwachen Haushalten gekauft werden, eher gestiegen sind als jene, die von reicheren Haushalten gekauft werden.“ Anders gesagt: Essen und Energie haben sich stärker verteuert als Reisen, Computer, und andere nicht essenzielle Dinge.

Dass Österreich auch im Vergleich zu Deutschland auffällig schlecht dasteht, sei auf die gegenüber den Lohnsteigerungen relativ hohen Inflationsraten in Österreich zurückzuführen, sagt UBS-Koautor Reto Huenerwadel im Gespräch mit der „Presse“. Auch die Ergebnisse anderer Länder überraschen: Die Italiener gehören insofern eher zu Kerneuropa, als auch sie ihren Lebensstandard fallen sehen. Und die Finnen leben besser als im Jahr 2000, obwohl sie nicht im Süden leben.

Die UBS-Analyse wurde von der österreichischen Opposition rasch als Beleg dafür zitiert, dass der Euro schlecht für das Land sei. Auch die UBS meint: „Für die meisten, wenn nicht für alle Euroländer war die Entscheidung, an einer dysfunktionalen Währungsunion teilzunehmen, eine in wirtschaftlicher Hinsicht schlechte.“

Das Papier lässt aber auch andere Schlüsse zu. Da es nur die Jahre bis 2010 unter die Lupe nimmt, sagt es nichts über den Erfolg der Reformen seither. Auch fehlt der Vergleich mit Nichteuroländern. „Das ist unseriös – man müsste auch mit Ländern vergleichen, die keinen Euro haben“, sagt Wifo-Ökonom Thomas Leoni. Und was die Angleichung der Lebensstandards betrifft: Das war durchaus ein erklärtes Ziel der Währungsunion. Und das Erreichte wieder aufzugeben sei tatsächlich eine „perverse“ Idee, schreiben selbst die UBS-Analysten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2012)

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