Zuwanderung: Leitl mahnt Hundstorfer

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Sozialminister Rudolf Hundstorfer lehnt die Rot-Weiß-Rot-Card für ausländische Bachelorabsolventen ab. Die Wirtschaftskammer drängt auf fällige Überprüfung und fordert mehr Information an Universitäten.

Wien/Ett. Soll es für Akademiker auch mit einem Bachelorabschluss bereits eine Rot-Weiß-Rot-Card zur Zuwanderung und als Arbeitsbewilligung geben? An dieser Frage scheiden sich in der Regierung zwischen Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) die Geister, weil Hundstorfer anders als Kurz derzeit keinen Grund für eine Änderung und Ausweitung sieht.

Schützenhilfe für Kurz kam am Montag von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP). Dieser wird, wie er der „Presse“ mitteilen ließ, bei der Forderung „nicht lockerlassen“. Der Wirtschaftskammerchef erinnert den Sozialminister daran, dass eine Überprüfung der Rot-Weiß-Rot-Card im Hinblick auf eine Ausweitung auf ausländische Bachelorabsolventen ausdrücklich vorgesehen sei. Denn in den Erläuterungen zum Gesetz ist explizit verankert worden, dass das Gesetz über die Rot-Weiß-Rot-Card, das seit 1.Juli 2011 ein Punktesystem für die Zuwanderung nach Österreich vorsieht, spätestens nach einem Jahr – dies wäre also seit heuer im Juli der Fall – evaluiert werden müsse. Auf die Einhaltung dieser Bestimmung pocht Leitl nun.

Vor dieser Mahnung hatte Hundstorfer Kurz abblitzen lassen. Der Staatssekretär hatte verlangt, die Rot-Weiß-Rot-Card nicht nur an ausländische Akademiker mit Master- oder Diplomabschluss, sondern auch an Bachelorabsolventen nach dem Bologna-System zu vergeben. Hundstorfer ist zwar bereit, „darüber zu reden“. Er sieht aber „ad hoc keinen Handlungsbedarf“, wurde in seinem Büro betont. Es gebe auch in der EU einen hoch qualifizierten Arbeitsmarkt, den man nützen solle.

„Niemand kümmert sich“

Der Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, Martin Gleitsmann, sieht neben „Nachbesserungsbedarf“ bei einzelnen Punkten auch die Universitäten gefordert. Uni-Verwaltungen und die Serviceeinrichtungen der Hochschülerschaft müssten ausländische Akademiker verstärkt über die neuen Möglichkeiten durch die Rot-Weiß-Rot-Card informieren. „Niemand kümmert sich um die Studienabsolventen. Der ganze universitäre Bereich ist da angesprochen“, erklärte Gleitsmann der „Presse“.

Hundstorfer stellt sich auch gegen die Forderung der Wiener Wirte, den Kochberuf in die Liste der Mangelberufe zur Rot-Weiß-Rot-Card aufzunehmen. Der Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wiener Wirtschaftskammer, Willy Turecek, warnte, Fachpersonal werde dringend gesucht.

Für Hundstorfer sprechen gleich mehrere Gründe dagegen. Nachdem Österreich 2011 seinen Arbeitsmarkt gegenüber EU-Oststaaten geöffnet habe, seien bereits tausende Arbeitnehmer im Tourismus beschäftigt worden. Aufgrund der bisherigen Liste der Mangelberufe könnten bereits jetzt Rumänen und Bulgaren, für die die Ostöffnung noch nicht gilt, als Köche eingestellt werden. Die Regelung für Stamm-Saisonniers aus Ländern außerhalb der EU führe dazu, dass langjährige Saisonkräfte bis zu zehn Monate ohne Prüfung des Arbeitsmarkts beschäftigt werden könnten. Schließlich gebe es auch in der EU sehr viele arbeitslose Köche.

Hundstorfer kündigte ferner an, sich verstärkt um die Integration Behinderter am Arbeitsmarkt zu kümmern. In Summe werden 725 Millionen Euro bis 2016 lockergemacht, um Jobbarrieren für Behinderte zu beseitigen.

Auf einen Blick

Rot-Weiß-Rot-Card. Seit Juli 2011 gibt es in Österreich für Zuwanderer aus dem Ausland (außerhalb der EU) die Rot-Weiß-Rot-Card. Diese wird nach einem Punktesystem vergeben. Für ausländische Akademiker, die in Österreich studiert haben, gibt es derzeit die Rot-Weiß-Rot-Card nur mit einem Master- oder Diplomabschluss, nicht aber für Bachelorabsolventen. Daneben erhalten aber auch Facharbeitskräfte in Mangelberufen (diese sind in einer Verordnung aufgelistet) Zugang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2012)

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