Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und Österreichs Rektorenchef Heinrich Schmidinger fordern die Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Card. Der Druck auf Sozialminister Rudolf Hundstorfer steigt.
Wien/J. N./ETT. Der Rückenwind für eine Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Card wird immer stärker. Nun spricht sich Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) dafür aus, Bachelorabsolventen eine derartige Arbeitsbewilligung zu erteilen. Die Ausweitung sei ein „logischer Schritt“, für welchen es „zwei gute Argumente gebe“, sagt Töchterle im Gespräch mit der „Presse“.
Punkt eins: Der Bachelor sei der erste akademische Abschluss und als solcher zu behandeln. Dass die Rot-Weiß-Rot-Card bisher nur an Diplom- bzw. Masterabsolventen erteilt werden dürfe, sei „nicht nachvollziehbar“. Punkt zwei: Aus Sicht der Wirtschaft habe eine Ausweitung Sinn. Wenn Betriebe qualifizierte Arbeitskräfte suchen, sei es gut, auf jene zurückzugreifen, die hier ihr Studium absolviert haben und auf Kosten der österreichischen Steuerzahler ausgebildet wurden. Dieser Meinung sei sein Ressort bereits gewesen, als die Rot-Weiß-Rot-Card beschlossen wurde. Schon seine Vorgängerin Beatrix Karl (ÖVP) habe eine Ausweitung auf den Bachelor gefordert, sagt Töchterle.
Derzeit bleibt vielen Studienabsolventen aus dem Nicht-EU-Ausland der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt. Allein im Studienjahr 2010/11 haben 681 Drittstaatsangehörige ein Bachelorstudium abgeschlossen. Sie konnten trotz Studium in Österreich keine Rot-Weiß-Rot-Card beantragen.
Dass Bachelorabschlüsse bisher nicht berücksichtigt werden, führt Töchterle auf die allgemein zu geringe Akzeptanz des Bachelors zurück. Es brauche Zeit, bis sich der Bachelor durchsetze. Der Gesetzgeber müsse dazu einen Beitrag leisten. Genau das würde man tun, wenn man die Rot-Weiß-Rot-Card auf den Bachelor ausweite.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist gegen eine Änderung. Er gerät jetzt nicht nur in der Regierung von ÖVP-Seite zusehends unter Druck. Österreichs Rektorenchef, der Vorsitzende der Universitätskonferenz, Heinrich Schmidinger, versicherte im Gespräch mit der „Presse“, die Unis bemühten sich „nachweislich“, dass auch Bachelors in den Genuss der Rot-Weiß-Rot-Card kämen. Zugleich verwahrte er sich gegen Kritik der Wirtschaftskammer, Unis klärten Absolventen zu wenig auf: Die Universitäten bemühten sich, Studierende ausreichend über die Rot-Weiß-Rot-Card zu informieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2012)