Alpbach: Politik und Jugend – ein Minenfeld

Alpbach Politik Jugend ndash
Alpbach Politik Jugend ndash(c) APA
  • Drucken

Kritik und Proteste bei einer Debatte über das Generalthema des Forums "Erwartungen – die Zukunft der Jugend": Die Politik gelobt, die Interessen der Jugendlichen stärker berücksichtigen zu wollen.

Alpbach. „Wenn ich in meinem Alter als Zukunftshoffnung der Partei gehandelt werde, dann läuft etwas falsch.“ SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer, 60 Jahre alt, brachte auf den Punkt, was sich offensichtlich einige der Teilnehmer des diesjährigen Forum Alpbach dachten. Dass vier zumindest nicht mehr ganz jugendliche Herren auf dem Podium über die Zukunft der Jugend diskutierten – das war einigen dann doch zu viel.

„Es ist zynisch, dass die Jungen nur im Saal sitzen und Fragen stellen dürfen“, monierte etwa die Jugendaktivistin Katharina Serles von der „Initiativgruppe Alpbach Wien“. Ihr Protest trug Früchte: Immerhin überließ ihr Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl seinen Platz auf dem Podium. Neben Hundstorfer und Leitl diskutierten Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (beide ÖVP). Das Thema: „Erwartungen – die Zukunft der Jugend“.

Durchgezogen hat sich bei den Debatten, dass es die Jugend heute nicht leicht hat. In Österreich finde man derzeit eine Jugend vor, die sich verbissen an die eigenen Träume klammere, aber die gesellschaftlichen Bedingungen durchgehend negativ einschätze, lautet der Befund von Bernhard Heinzlmaier, Vorsitzender des Wiener Instituts für Jugendkulturforschung. Bei allem stehe der eigene Nutzen im Vordergrund, argumentierte er bei der Eröffnung des Alpbacher Fachhochschulforums. Es gebe kein Denken im gesellschaftlichen Kontext, denn alle Kraftreserven würden vom Kampf um den eigenen Vorteil aufgebraucht. „Man vernetzt sich mit jenen, die dem Erreichen der persönlichen Ziele dienlich sind.“

Verantwortlich dafür sei eine durchgehende Ökonomisierung aller Bereiche – auch des Bildungssystems. Alles werde einem Nützlichkeitsdenken untergeordnet, daher seien Deutungswissen, reflektierendes Wissen und politische Urteilsfähigkeit unterrepräsentiert. Heinzlmaier erhebt daher die Forderung, dass öffentliche Förderungen für Unis oder Fachhochschulen von der Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags abhängig gemacht werden sollten. Mit Bezug auf die Ökonomisierung kritisierte ÖH-Generalsekretär Peter Grabuschnig bei der Podiumsdiskussion des Fachhochschulforums das Verständnis des Studierenden als Kunden, das an den Fachhochschulen vorherrsche. „Das ist wie im Kino, wo ich mir ein Ticket kaufe.“

Heinzlmaier sieht auch noch einen anderen problematischen Aspekt: das heutige „Diktat der Selbstverwirklichung“. Er diagnostiziert bei vielen jungen Menschen ein „erschöpftes Selbst“, das daran verzweifle, aus eigener Freiheit alles selbst gestalten zu müssen.

„Kulturkrach“ am Arbeitsmarkt

Die Gestaltungsfreiheit sieht die Kommunikationsberaterin Elisabeth Pechmann von Ogilvy hingegen auch als Bereicherung an – wenn auch als Herausforderung für die Arbeitgeber. Momentan sorge die sogenannte „Generation Y“ – gemeint sind die Jahrgänge ab 1981 – für einen „Kulturkrach“ am Arbeitsmarkt.

Diese jungen Leute seien gut ausgebildet und vernetzt, sie wüssten, was sie wollen, seien aber gleichzeitig nicht länger bereit, althergebrachte (Unternehmens-)Hierarchien zu akzeptieren. Im Jahr 2020 werde jeder zweite Erwerbstätige ein „Ypsilon“ sein, so Pechmann. Umso wichtiger sei die Vermittlung zwischen den Generationen.

Die Politik hat in Alpbach immerhin gelobt, die Interessen der Jugendlichen stärker berücksichtigen zu wollen. Laut Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wird ab September gemeinsam mit Jugendorganisationen eine Jugendstrategie ausgearbeitet, 2013 sollen erste Ergebnisse vorliegen. In drei Wochen soll der Gesetzesentwurf zum „Jugendcheck“ in Begutachtung geschickt werden. Dieser sieht vor, dass bei allen Gesetzen die Auswirkungen für die Jugendlichen berücksichtigt werden müssen. Besonders spannend könnte das wohl bei der Frage nach der Erhaltung der sozialen Systeme werden, so Mitterlehner. Er will zudem ein Zertifikat für ehrenamtliche Arbeit einführen, durch das Jugendliche „informell erworbene Qualifikationen“ auch bei der Arbeitssuche dokumentieren können.

Laut der am Dienstagabend präsentierten Jugend-Monitor-Befragung sind 80 Prozent der Jugendlichen weiterhin für die Zukunft optimistisch. „Ich kann das Klischee von der No-future-Generation nicht nachvollziehen“, kommentierte Meinungsforscher Peter Filzmaier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Die Politik checkt es nicht

Der Jugendminister will einen Jugendcheck für Gesetze.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.