Agrosprit: Ein Ethanol-Fass ohne Boden?

Agrosprit EthanolFass ohne Boden
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Was bei der Diskussion um die Einführung des Agrosprits E10 noch ausgeblendet wird: Wenn wir nicht aufpassen, entsteht hier ein neues Dauer-Subventionsfeld für die leidgeprüften Steuerzahler.

Ein bisschen künstlich sieht sie schon aus, die hektische Diskussion, die um die verpflichtende Beimischung von Ethanol zum Superbenzin (E10) ab 1.Oktober jetzt ausgebrochen ist. Denn dass dieses Datum trotz der vollmundigen Ankündigungen des Landwirtschaftsministers nicht hält, ist allen Beteiligten schon seit Langem klar.

Bereits im Februar dieses Jahres hat der Chef des heimischen Agrospritproduzenten Agrana, Johann Marihart, im Gespräch mit der „Presse“ den Fahrplan so beschrieben: Er rechne damit, dass der notwendige „interministerielle Kompromiss“ in den nächsten zwei Jahren herstellbar sei, sodass die Beimischung Ende 2014 verpflichtend werde. Bis dahin wolle man versuchen, das in Deutschland fürchterlich gefloppte E10 auf freiwilliger Basis „schleichend“ in den Markt einzuführen.

Das scheint realistisch – und gibt ein bisschen Zeit, die von beiden Seiten ein wenig hysterisch geführte Diskussion zu versachlichen. Vielleicht erspart man sich dadurch einen teuren Flop, denn so klar ist ja noch nicht, ob die international heftig umstrittene „Versprittung“ von immer teurer werdenden Lebensmitteln dann überhaupt noch „politisch korrekt“ sein wird.

Grund zur Eile besteht ohnehin nicht. Denn die Anlage der Raiffeisen-Tochter Agrana, die den Agrosprit (nennen wir ihn so, denn „Bio“ oder „Öko“ ist daran herzlich wenig) liefern wird, steht ja schon. Und sie ist auch schon ausgelastet. Die Hälfte der Produktion geht jetzt schon in österreichische Tanks. Denn Superbenzin-Kunden bekommen ja, auch wenn das viele nicht wissen, schon lange fünf Prozent Getreideschnaps zwangszugemischt, fahren also „E5“. Der Rest wird derzeit exportiert, müsste also nur an österreichische Zapfsäulen umgeleitet werden.

Ob das sinnvoll ist, wird noch zu klären sein. Denn natürlich hat Agrosprit auch einige Vorteile. Beispielsweise ein vergleichsweise hohes Maß an inländischer Wertschöpfung oder die Substitution von Ölimporten (wenngleich derzeit auch ein Drittel des benötigten Getreides importiert wird). Und der global nicht ganz unbegründete Verdacht, Mais und Weizen im Tank würden auf den Tellern fehlen, hat auch keine Basis in einem Land, das sich den ökonomischen Irrsinn leistet, seine Bauern extra dafür zu bezahlen, dass sie drei Prozent der Ackerfläche (immerhin rund 40.000 Hektar) brachliegen lassen statt darauf zu produzieren.

Global sieht die Sache freilich anders aus. Da steht Agrosprit durch die forcierte Produktion in den USA und Südamerika im Verdacht, die Nahrungsmittelpreise hochzutreiben. Und der Nahrungsmittelproduktion massiv Anbaufläche zu entziehen. Letzteres kann man auch in Deutschland und Österreich beobachten, wo man immer öfter durch wogende Kukuruzfelder fährt. Ganz klar: Der Weltmarktpreis für Mais ist zuletzt (auch wegen der forcierten Nachfrage der Ethanol- und Biogaserzeuger) um 40Prozent gestiegen.

Und weil die flächenbezogene Subventionierung der Landwirte unabhängig davon fließt, ob man für das dort erzeugte Produkt viel oder wenig bekommt, baut man eben das an, was am meisten bringt. Hier trifft völlig richtiges marktwirtschaftliches Verhalten der Landwirte auf das völlig planwirtschaftlich organisierte EU-Agrarsystem. Und das kann für die Steuerzahler nur schiefgehen. Womit wir beim springenden Punkt sind: Agrosprit ist preislich nicht konkurrenzfähig und wird deshalb auf mehreren Ebenen gestützt. Zwar ist die Mineralölsteuerbefreiung von E10 (im Gegensatz zu der bestehenden beim E5) vom Tisch, auf der Produktionsebene schlägt aber die Agrarförderung zu. Kalkulationen, wonach E10 bald konkurrenzfähig sein könnte, werden dadurch, dass die Preise der Agrarrohstoffe noch schneller steigen als der Ölpreis, wohl wieder zunichtegemacht.

Man muss also höllisch aufpassen, dass man sich da nicht eine weitere Dauer-Subventionsbranche heranzüchtet. Die Sorge ist nicht ganz unbegründet. In der gesamten Ökoenergie (Solar-, Wind-, Biomasse) sind die Agrarier (auch über die Raiffeisen-Gruppe) sehr stark vertreten. Beim Agrosprit liegt die gesamte Wertschöpfungskette im Machtbereich der Raiffeisen-Gruppe und der Landwirtschaftskämmerer. Dass in der Gedankenwelt Letzterer eine Produktion ohne Zuschüsse durch die Steuerzahler als nicht vorstellbar gilt, haben sie ja oft genug bewiesen.

Abgesehen von den ökologischen und ethischen Bedenken gegen den Schnaps im Tank, die das Projekt ohnehin umbringen könnten, wird man also darauf schauen müssen, dass das Ganze nicht zu einem Fass ohne Boden für die Steuerzahler wird.

Also: Wenn es dazu kommt, dann muss man verlangen, dass die Förderung des Agrosprits auf allen Ebenen, auch auf der der landwirtschaftlichen Rohstoffproduktion, zeitlich begrenzt wird. Wenn es gelingt, den Sprit marktreif zu machen (und alle anderen Bedenken ausgeräumt werden), dann werden ja wohl auch kostendeckende Rohstoffpreise zu erzielen sein.

Wenn aber, und danach sieht es leider aus, Agrosprit als weiteres permanentes Steuer-Füllhorn zur gefälligen Verteilung an die Raiffeisen-Gruppe und die Bauern gesehen wird, dann möge man das bleiben lassen. Denn was dabei herauskommt, das kann man an den Verwerfungen, die das europäische Agrarsubventionierungssystem schon ausgelöst hat, sehr schön beobachten.


E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2012)

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