Griechenland fleht um Aufschub

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Die griechische Zukunft entscheidet sich in Berlin: Merkel weiß, dass ein drittes Hilfspaket den Deutschen nicht mehr zu vermitteln wäre.

Berlin/Wien. Für Antonis Samaras ist Berlin das neue Canossa. Ausgerechnet in der „Bild“-Zeitung, dem boulevardesken Zentralorgan der deutschen Ressentiments gegen Griechenland, gesteht der Premier demütig ein, dass die Griechen „viele Fehler gemacht“ haben. Doch falls man ihnen eine Chance gebe, würden sie „ein spektakuläres Comeback hinlegen“. Einen Austritt aus dem Euro könnte die Demokratie in Athen nicht überleben: Es wäre „wie in der Weimarer Republik“. Um das zu vermeiden, brauche sein Land „nur ein wenig Luft zum Atmen“.
Das Interview ist Teil einer verzweifelten Charmeoffensive. In der „Süddeutschen“ gelobte der Premier: „Die Deutschen bekommen ihr Geld zurück. Das garantiere ich persönlich.“ Samaras weiß: Wenn er heute auf Kanzlerin Merkel trifft, beginnt der Endkampf um die Euromitgliedschaft Griechenlands.

„Die Luft zum Atmen“ wäre ein Aufschub bei der Kredittilgung. Schon zu Beginn des Sommers war dem deutschen Außenminister Westerwelle rausgerutscht, was inoffiziell jedem klar war: Während der zwei Wahlkämpfe kamen die Reformen zum Erliegen, das Krisenland verlor uneinholbar wertvolle Monate. Wieder geht das Geld aus. Wird Europa, allen voran Deutschland, noch einmal zahlen?

Während Westerwelle am Donnerstag bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Estland, Lettland und Litauen vor einer Nord-Süd-Teilung Europas warnte, wurde bekannt, dass im Bundesfinanzministerium eine Arbeitsgruppe unter Staatssekretär Thomas Steffen die Folgen eines Austritts Griechenlands für Deutschland und die ganze Währungsunion durchrechne.

Der Wind hat gedreht: Im Volk hat sich die Überzeugung verfestigt, dass Athen ein Fass ohne Boden ist. Das nützen die kleinen Koalitionspartner aus: FDP-Chef Philipp Rösler profiliert sich als Hardliner: „Rabatte auf Reformen darf es nicht geben. Auch eine zeitliche Streckung hilft nicht weiter.“ Den reinen Ton des Populismus schlug Bayerns CSU-Finanzminister Markus Söder an. Er will durch den Rauswurf der Griechen „ein Exempel statuieren“, weil „irgendwann jeder bei Mama ausziehen muss“.



Ein spätes Echo von Euro-Gruppen-Chef Juncker gilt auch ihm: Die, die unentwegt einen Austritt fordern, sollten „endlich den Mund halten“. Doch Söder trifft die Stimmung des Volkes. Merkel weiß: Ein Zahlungsaufschub wäre unter viel Murren noch durchsetzbar. Doch wenn der Fortschrittsbericht der Troika im September ergibt, dass ein drittes Hilfspaket nötig sei, schlägt die letzte Stunde der deutschen Solidarität: Das wäre unter den Abgeordneten des Regierungslagers nicht mehr vermittelbar. Folge: Stopp der Zahlungen, Pleite, Euroaustritt – möglichst abgefedert durch eine Art „Marshallplan“.

Merkel und Hollande suchen Linie

Frankreichs Präsident François Hollande fuhr am Abend zu Merkel, um mit ihr eine „gemeinsame Linie abzustimmen“. Merkel sagte vor dem Treffen, Griechenland solle auf dem „Reformweg weiter gehen“, Hollande betonte, man wolle Athen in der Euro-Zone halten. Worin diese Linie bestehen kann, darüber rätselt man in Berlin. Nach 100 Tagen Amtszeit Hollandes steht fest: Ein Gespann wie „Merkozy“, das dem Rest Europas vorausgaloppiert, wird das ungleiche Paar nicht werden. Klar ist auch: Die französische Position zu Griechenland ist nicht so hart wie die deutsche. Während sich in der Berliner Koalition die Befürworter eines „Grexit“ (Euro-Exit Griechenlands) mehren, wäre für Hollande innenpolitisch noch ein Hilfspaket für den Südstaat leichter durchsetzbar. Auch eine Fristverlängerung für die Sparziele bis 2016 ist für Paris vorstellbar. Hinzu kommt, dass Hollande sich im europäischen Machtpoker ganz anders positioniert als sein Vorgänger Nicolas Sarkozy: Während Letzterer gern den Erfüllungsgehilfen Berlins gab, will Hollande ein Gegengewicht zu Merkel darstellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2012)

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