UBS verteidigt Einkommensstudie

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Der Autor der UBS-Studie, derzufolge die Österreicher seit dem Jahr 2000 große reale Einkommensverluste erlitten haben, weist im Gespräch mit der „Presse“ die heftige Kritik zurück und verteidigt den Euro.

Wien. Wie viel blieb den Österreichern wirklich von der letzten Erhöhung von Gehalt oder Pension? Was wurde von Inflation, Steuern und Abgaben aufgefressen? Eine Studie der Schweizer Großbank UBS gibt darauf drastische Antworten: Das ärmste Zehntel der Österreicher habe in den Jahren 2000 bis 2010 ganze 35 Prozent ihres „realen verfügbaren Einkommens“ eingebüßt, so die Studie. Die Mittelschicht mehr als 20 Prozent. Und die Reichen zehn Prozent. Österreich sehe im europäischen Vergleich „alarmierend schwach“ aus, heißt es in der Studie. („Die Presse“ berichtete.)

UBS-Analyst ist sich „sicher“

Die Reaktionen auf die Studie waren nicht minder drastisch: Die Studie sei „nicht nachzuvollziehen“, so die Industriellenvereinigung: „Massive Rechen- und Datenfehler können nicht ausgeschlossen werden.“ Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) legte am Mittwoch ihre eigene Rechnung vor. Die realen verfügbaren Einkommen seien von 2000 bis 2010 nicht gefallen, sondern durchschnittlich um ganze 12,2 Prozent gestiegen, so die OeNB. Die Ergebnisse der UBS-Studie seien „nicht plausibel und mit erheblichen methodischen Datenproblemen behaftet“, hieß es in einer Aussendung der Nationalbank.

Auch die Bank Austria (BA) hat nachgerechnet und kommt wiederum auf ein anderes Ergebnis: Die Realeinkommen seien schon gesunken. Aber nicht so stark, wie die UBS behaupte, sondern nur um durchschnittlich 1,5 Prozent. Die ärmsten 20 Prozent hätten ihr reales Einkommen um neun Prozent schrumpfen sehen, so die BA. Die von der UBS ermittelten Zahlen seien somit „definitiv falsch“.

Paul Donovan, der Autor der UBS-Studie, weist die Vorwürfe aus Österreich im Gespräch mit der „Presse“ zurück. Die von ihm und seinem Team vorgelegten Daten seien mehrmals überprüft worden. „Ich bin sicher, dass diese Zahlen die Veränderungen beim realen verfügbaren Einkommen reflektieren“, sagt UBS-Analyst Donovan.

Es sei nichts Neues, dass Menschen mit niedrigen Einkommen stärker unter der Inflation zu leiden haben als jene mit höheren Einkommen, so Donovan.

Die UBS habe lediglich Daten aus dem harmonisierten Verbraucherpreisindex der Eurostat neu zusammengestellt und einkommensspezifisch angepasst – um lebensnahe Ergebnisse zu erhalten. Ein ärmerer Haushalt gibt prozentuell deutlich mehr für Nahrung und Energie aus als ein reicherer Haushalt – und diese Produkte steigen stärker im Preis als beispielsweise Smartphones oder Pauschalreisen. Die offizielle Inflationsrate spiegle aber eher das Einkaufsverhalten der Wohlhabenden wider. Deswegen habe man die Inflationszahlen je nach Produkt und Einkommensklasse neu berechnet.
„Wir wissen, wie sich die Schuhpreise in Österreich in den letzten 15 Jahren entwickelt haben“, so Donovan. Wichtig sei auch der Unterschied zwischen Haushalts- und Pro-Kopf-Einkommen. „In Österreich ist das Haushaltseinkommen ziemlich stark gefallen, das Pro-Kopf-Einkommen aber nicht.“ Grund sei die Zunahme von Haushalten, in denen nur junge Arbeitslose oder Pensionisten leben.

„Globales Phänomen“

Die Ergebnisse der Studie, wonach die Österreicher am deutlichsten reales verfügbares Einkommen eingebüßt haben, während Spanier, Portugiesen und Griechen dazugewonnen haben, seien auch nicht sonderlich überraschend. Dass reichere Länder verlieren, während ärmere aufsteigen, sei ein „globales Phänomen“, so Donovan.

Dass Österreich in der UBS-Studie auch im Vergleich mit Deutschland deutlich schlechter abschneidet, sei auf den Aufstieg der ostdeutschen Bundesländer zehn Jahre nach der Wiedervereinigung zurückzuführen. Und auf die Ausgangsposition: „Im Jahr 2000 hatte Österreich das höchste Einkommen in der Eurozone – und zwar in der Mehrheit der Einkommensklassen. 2010 stand Österreich bei keiner Einkommensklasse mehr an der Spitze“, sagt Donovan.

Der Euro sei aber nicht alleine für diese Entwicklung verantwortlich. Die Gemeinschaftswährung sei „ein Faktor von vielen“. Europaweit betrachtet könne man sogar sagen, dass zumindest die Ärmsten profitiert hätten – die Angleichung der Lebensstandards sei aber „nicht schnell genug“ vonstattengegangen. „Ich glaube, dass sich dieser Trend nach 2010 umgekehrt hat“, so Donovan.

Auf einen Blick

Zehn bis 35 Prozent ihres Einkommens nach Inflation und Steuern haben die Österreicher in den Jahren 2000 bis 2010 verloren, sagt eine UBS-Studie. Nationalbank, Industriellenvereinigung und Bank Austria kritisieren die Studie heftig und legen andere Zahlen vor. UBS-Analyst und Studienautor Paul Donovan antwortet gegenüber der „Presse“: Die Daten seien mehrmals überprüft. UBS hat in ihrer Studie eigens berechnete Inflationszahlen verwendet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2012)

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