Pussy Riot: Menschenrechtsrat zerpflückt Urteil

Pussy Riot Menschenrechtsrat zerpflueckt
Pussy Riot Menschenrechtsrat zerpfluecktREUTERS/MAXIM SHEMETOV
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Das russische Gremium kritisiert die Unverhältnismäßigkeit der Strafe und fordert Gnade. In dem Rat sitzt auch eine Ex-Verfassungsrichterin.

Mit deutlichen Worten hat der Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten das Urteil gegen drei Mitglieder der Frauen-Punkband Pussy Riot kritisiert. Als problematisch bezeichnete der Rat in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung die Anwendung des Strafrechts auf Fälle, die "nach dem Gesetz nur Ordnungswidrigkeiten" seien. "Warheit und Gnade" sollten sich durchsetzen, teilte der Rat mit. In dem Gremium sitzen unter anderem die frühere Verfassungsrichterin Tamara Morschakowa und der Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche, Wladimir Legoida. Letzgenannter unterzeichnete jedoch nicht.

Gewöhnlich werden Aktivisten, die wegen nicht genehmigter Proteste in Russland festgenommen werden, höchstens für zwei Wochen festgehalten und nicht angeklagt. Die drei Mitglieder von Pussy Riot, Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina Samuzewitsch, wurden dagegen wegen "Rowdytums" und "Anstiftung zu religiösem Hass" zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. "In diesem Fall stellen sich zudem weitere Fragen, die die Achtung der Prinzipien einer freien Rechtsprechung in einem demokratischen Rechtsstaat betreffen", hieß es in der Erklärung des Rats weiter, die dieser auf seine Website stellte.

Das Gremium übte Kritik an dem einheitlichen Strafmaß für die drei Musikerinnen: "Warum haben alle Angeklagten identische Strafen erhalten, obwohl zwei von ihnen kleine Kinder haben? Warum konnten sie keine Bewährungsstrafe bekommen oder wenigstens eine mit Aufschub, bis ihre Kinder volljährig sind?" Mit Blick auf einen möglichen Fortgang des Verfahrens hieß es: "Warum warten wir auf Antworten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf all diese Fragen? Insbesondere wenn wir die Antworten selbst sehr gut kennen?"

Kasparow vor Gericht

Unterdessen musste der russische Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow am Freitag wegen einer Demonstration, bei der er einen Polizisten gebissen haben soll, ist vor Gericht erschienen. Etwa 20 Unterstützter jubelten dem 49-Jährigen zu, als er das Moskauer Gerichtsgebäude betrat, in dem vor einer Woche die Pussy Riot-Mitglieder verurteilt worden waren. Kasparow hatte damals an einer Demonstration zur Unterstützung der drei Frauen teilgenommen.

Formell beschuldigt ist Kasparow bisher nur, gegen Bestimmungen bei der Organisation der Demonstration verstoßen zu haben. Dafür sind maximal 15 Tage Haft vorgesehen. Sollte er jedoch wegen des Angriffs auf den Polizisten angeklagt werden, könnten ihm bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen. Laut dem privaten Fernsehsender Doschd zeigte sich Kasparow vor Gericht am Freitag kämpferisch. Er habe bereits fünf Mal wegen aus seiner Sicht politischen Vorwürfen vor Gericht gestanden, sagte der langjährige Kritiker von Präsident Wladimir Putin demnach.

Video-Bilder von der Demonstration am Tag des Pussy-Riot-Urteils zeigen, wie ein Polizist Kasparow anscheinend auf den Kopf schlägt. Er wird danach in einen Bus der Sicherheitskräfte gebracht. Ein Beamter beschuldigte den Schachmeister später, ihn außerhalb der Sichtweite der Kameras in die Hand gebissen zu haben. Kasparow weist das zurück und hat den Polizisten wegen illegaler Festnahme und Verleumdung verklagt.

Die Pussy-Riot-Musikerinnen hatten im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein "Punk-Gebet" gegen den jetzigen Präsidenten Wladimir Putin aufgeführt. Damit hatten sie den Kreml und die orthodoxe Kirche in Russland gegen sich aufgebracht. Putin sieht sich seit seiner umstrittenen Wiederwahl zum Präsidenten einer starken Protestbewegung gegenüber.

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