Strache: „So viel Intelligenz dürfen Sie mir schon zutrauen“

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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wehrt sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe und denkt über einen EU-Austritt nach. Frank Stronach fürchtet er nicht.

Die Presse: Sie haben gesagt, Sie wollen Kanzler werden. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus, als würde Ihr Wunsch in Erfüllung gehen.

Heinz-Christian Strache: Ich bin überzeugt, dass die nächste Nationalratswahl ein Duell zwischen Faymann und Strache darstellen wird. Das haben auch die Umfragen im letzten Jahr gezeigt: In manchen sind wir vor der SPÖ gelegen, in anderen nur knapp dahinter.

Davon kann derzeit aber keine Rede sein. Aktuelle Umfragen sehen die FPÖ nur mehr knapp über 20 Prozent – weit hinter der SPÖ. Wie erklären Sie sich diesen Abschwung?

Ich glaube, dass hier vor allem der Wunsch Vater des Gedankens ist.

Wessen Wunsch? Wollen Sie andeuten, dass die Meinungsforschungsinstitute im Sinne der Regierungsparteien Umfragedaten manipulieren?

Das eine oder andere Institut ist nicht so unabhängig, wie man vielleicht meinen mag. Ich war in den vergangenen Wochen bei etlichen Kirtagen und Volksfesten – und eine so gute Stimmung für die FPÖ habe ich noch nie erlebt.

Kirtage sind aber eher nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

Glauben Sie mir: Wenn ich auf Volksfesten bin, wo tausende Menschen sind, kann ich sehr wohl wahrnehmen, ob ein Stimmungswechsel stattgefunden hat.

Ich nehme an, die Feste, die Sie besucht haben, waren nicht in Kärnten. Dort haben die Freiheitlichen derzeit wenig Grund zum Feiern.

In Kärnten ist vieles aufzuklären. Bis dato steht nur fest, dass der Steuerberater Dietrich Birnbacher und der abgetretene ÖVP-Landesparteichef Josef Martinz jahrelang die Unwahrheit gesagt und Geld kassiert haben.

Birnbacher belastet aber auch den freiheitlichen Landesrat Harald Dobernig und den abgetretenen FPK-Chef Uwe Scheuch: Die beiden sollen einen Anteil – 500.000 Euro – aus dem Sechs-Millionen-Honorar für das Hypo-Gutachten gefordert haben.

Das bestreiten beide. Ich habe eher den Eindruck, dass Herr Birnbacher und andere jetzt versuchen, sich an einem Toten abzuputzen, nämlich am verstorbenen Landeshauptmann Jörg Haider.

Das tun Sie doch auch. Sie haben gesagt, Haider habe sich vom System korrumpieren lassen.

Nein. Korrumpiert heißt nicht, dass er korrupt war. Es bedeutet, dass Haider von einem System, das er aufbrechen wollte, eingefangen wurde. Warum auch immer.

Haider wurde nicht eingefangen – er war die zentrale Figur im System Kärnten.

Wir haben in ganz Österreich seit Jahrzehnten ein System, das aufzubrechen beginnt. Dabei zeigt sich, wie die Parteien skandalöserweise mit Steuergeld umgegangen sind.

Siehe Kärnten.

Ich lasse kein Kärnten- und Haider-Bashing zu. Schauen Sie einmal nach Wien, nach Niederösterreich. Der Skylink-Terminal etwa. Manche Landesfürsten glauben, alles sei ihr Eigentum. Das funktioniert jetzt nicht mehr.

Mag sein, dass es verdeckte Parteienfinanzierung nicht nur in Kärnten gibt. Aber nirgendwo ist sie so unverschämt zutage getreten wie dort.

Wo bitte? Nennen Sie mir irgendein Beispiel, wo die Freiheitlichen in Kärnten einem solchen Vorwurf ausgesetzt wurden.

Uwe Scheuch, bis vor Kurzem auch Landeshauptmann-Stellvertreter, wurde in der sogenannten Part-of-the-game-Affäre verurteilt. Da ging es um verdeckte Parteienfinanzierung.

Gegen unseren Kooperationspartner in Kärnten werden Vorwürfe erhoben, die aufzuklären sind, aber nicht stimmen müssen. Wenn etwas dran ist, sind natürlich die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Nämlich welche?

Wer sich etwas zuschulden kommen hat lassen, hat in unserer Partei nichts verloren.

Interessant. Die steirische Abgeordnete Susanne Winter wurde 2008 wegen Verhetzung verurteilt, weil sie gesagt hat, Mohammed wäre in der heutigen Zeit ein Kinderschänder. Im Nationalrat sitzt sie noch immer.

Susanne Winter ist für mich eine gerichtlich anerkannte Islamismuskritikerin. Sie hat ihre Meinung artikuliert und wurde dafür mit einem Meinungsurteil bestraft. Das ist etwas völlig anderes als ein Korruptionsdelikt.

Zweifeln Sie das Urteil an?

Ich respektiere es – bezweifle aber, dass es für die demokratische Entwicklung eines Landes gut ist, wenn man solche Debatten gleich vor Gericht austrägt. Die gehören ins Parlament.

Ist es für die demokratische Entwicklung eines Landes gut, wenn die Freiheitlichen eine Neuwahl in Kärnten blockieren?

Ich finde es gut, wenn sich die FPK so lange gegen eine Neuwahl stellt, bis die Landesregierung eine Verfassungsklage gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus einbringen konnte. Danach, das können Sie mir glauben, wird es einen Wahltermin geben.

Ich bitte Sie: Die wahre Motivlage ist doch, dass den Kärntner Freiheitlichen erhebliche Stimmenverluste drohen – bis hin zum Landeshauptmann. Daher will sie Zeit gewinnen.

Das ist Ihre Interpretation. Ich sage Ihnen: Der Grund ist das ESM-Diktat, gegen das wir uns zur Wehr setzen werden.

Wie werden Sie sich gegen Frank Stronach zur Wehr setzen? Der besetzt ähnliche Themen wie die FPÖ – auf eine ähnliche Art und Weise.

Gar nicht. Stronach wird kein Thema sein.

Das sehen Politologen anders: Die sagen, dass er gute Chancen hat, in den Nationalrat einzuziehen – und jedenfalls FPÖ und BZÖ schaden wird.

Glauben Sie wirklich, dass sich die Österreicher von einem Herrn Stronach mitsamt seinen Recycling-Politikern zu einem Freudenschrei hinreißen lassen?

Ich glaube, dass Stronach der FPÖ Stimmen kosten wird.

Es braucht keine Kopie von HC Strache, sondern ein glaubwürdiges Programm.

Stronach und die FPÖ ähneln einander vor allem in ihrer Euro-Kritik: Populistische Ansagen, aber kein europapolitisches Konzept. Was wollen Sie eigentlich? Soll Österreich zum Schilling zurück?

Es war falsch, den Schilling abzuschaffen. Richtig wäre der Schweizer Weg gewesen.

Was heißt das? Dass Österreich im Jahr 2012 den Schweizer Weg einschlagen sollte?

Nein, dazu ist schon zu viel passiert. Jetzt geht es darum, den Schaden zu begrenzen. Meine erste Präferenz wäre gewesen, Länder wie Griechenland aus der Eurozone zu werfen. Aber diesen Schritt haben wir verpasst.

Was jetzt?

Ich plädiere dafür, dass starke Volkswirtschaften wie Österreich, Deutschland und Holland eine Hartwährungszone bilden. Verschlafen wir das auch, wird es den Euro zerreißen. Dann müssen die Staaten notgedrungen zu ihren nationalen Währungen zurück.

Den Schilling wollen Sie aber nicht wirklich zurück.

Das ist ein Worst-Case-Szenario.

Ist die Europäische Union gescheitert?

Sie droht zu scheitern. Wir erleben einen Demokratieabbau, der von den Völkern Europas nicht gewünscht ist.

Sollte Österreich aus der EU austreten, wenn Ihre Lösungsvorschläge zum Euro ungehört bleiben?

Ja – ich sage Ihnen ganz offen: Bevor es in Richtung einer zentralistischen EU geht und wir unsere Freiheit aufs Spiel setzen, bin ich dafür, den Schweizer Weg zu gehen.

Wann würde dieser Fall eintreten?

Wenn es darum geht, ob Österreich Mitglied eines zentralistischen EU-Bundesstaats werden und seine Souveränität verlieren soll.

Also wenn die Pläne für Vereinigte Staaten von Europa konkret werden.

Wenn unsere Verfassung aufgelöst werden soll, werden wir uns dagegen stemmen.

Derzeit stemmen Sie sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe. Eine Karikatur, die Sie auf Facebook gestellt haben, zeigt einen Bankier, der von der Regierung angefüttert wird. Auf den Manschettenknöpfen des Bankiers sind Davidsterne zu sehen.

Diese Karikatur stellt den Begriff der Umverteilung sehr gut dar. Aber einen Davidstern kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Da wird eine künstliche Hysterie erzeugt, um den HC Strache unmöglich zu machen.

Solche Situationen haben Ihnen am Ende doch immer genützt. Schließen Sie aus, dass es eine bewusste Provokation war bzw. ein Signal an gewisse Wählerschichten der FPÖ?

Das schließe ich absolut aus, denn ich lehne den Antisemitismus ab. Hätte ich Davidsterne gesehen, wäre die Karikatur nicht auf meiner Seite veröffentlicht worden. So viel Intelligenz dürfen Sie mir schon zutrauen.

Zur Person

Heinz-Christian Strache (43) ist seit 2005 Bundesparteiobmann der FPÖ. Der bislang größte Erfolg des gelernten Zahntechnikers: Bei der Nationalratswahl 2008 erreichte die FPÖ 17,5 Prozent und wurde zur drittstärksten Partei. Strache wusste schon immer zu provozieren. In der Vorwoche sorgte ein als antisemitisch kritisierter Cartoon auf seiner Facebook-Seite für Aufregung. Die Justiz ermittelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2012)

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