Causa Meinl: "Meinl Bank dominierte den Handel"

Gutachten Meinl Bank dominierte
Gutachten Meinl Bank dominierte(c) APA (Harald Schneider)
  • Drucken

Die Meinl Bank hat im Jahr 2007 zeitweise 84 Prozent aller Käufe und Verkäufe von Meinl-European-Land-Papieren getätigt, sagt ein Gutachten.

Im Meinl-Strafverfahren liegt seit kurzem ein von der Staatsanwaltschaft geordertes Zusatzgutachten zu kapitalmarkttechnischen Fragen rund um den Handel mit Meinl-European-Land-Papieren vor. Der deutsche Sachverständige Andreas Freudenmann geht darin auf die Rolle der Meinl Bank als "Market Maker" ein. Die Interpretation der Expertise könnte unterschiedlicher nicht sein. Während die "Wiener Zeitung" am Dienstag von "Zündstoff" schreibt, hatte das "Format" das Fazit Freudenmanns Mitte August als "dürftig" bezeichnet. Die Bank selbst sieht in dem Gutachten keine Anhaltspunkte für Marktmanipulation, ein Anlegeranwalt schon.

Freudenmann sollte untersuchen, ob der MEL-Kurs durch Marktaktivitäten der Meinl Bank oder die Begebung von Turbozertifikaten manipuliert wurde. Nach etwa zwei Jahren kam Freudenmann zum Schluss, dass die umstrittenen Rückkäufe der Meinl Bank den MEL-Kurs beeinflussten. Wie der Kursverlauf gewesen wäre, hätte es die Rückkäufe nicht gegeben, konnte der Experte in seinem 191-seitigen Gutachten allerdings laut "Format" nicht eindeutig beantworten.

Zweifel an "passiver Rolle" der Meinl Bank

Gutachter Freudenmann hat es deshalb mit einem Vergleich zum Immo-Index IATX versucht - für Meinl-Bank-Anwalt Georg Schima ein Fehler, da MEL nie im IATX notiert habe. Freudenmann belege "im wesentlichen nur die banale Tatsache, dass MEL im untersuchten Zeitraum den IATX (um drei Euro) übertraf", ätzte der Rechtsvertreter in einer Aussendung der Bank.

Laut "Wiener Zeitung" definierte Freudenmann die Aufgabe eines Market Maker folgendermaßen: Dieser soll durch limitierte Aktienkauf-und -verkaufsaufträge temporäre Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage überbrücken und somit für höhere Liquidität sorgen und glättend auf die Kursentwicklung einwirken. Das sei eine "eher passive Rolle", und der Market Maker gehe dabei "üblicherweise nur kurzfristig eigene Positionen" - also Käufe im eigenen Namen - ein. Bei steigendem Schlusskurs trete ein Market Maker eher als Verkäufer und bei sinkenden als Käufer auf.

"Meinl Bank hat den Handel absolut dominiert"

Freudenmann zufolge geht die Market-Maker-Vereinbarung, die der Meinl Bank Rückkäufe von bis zu 29,9 Prozent der MEL-Papiere ermöglichte, "weit über das hinaus, was von einem Market Maker erwartet wird", zitiert die Zeitung aus dem Gutachten. Im Untersuchungszeitraum 9. Februar bis 27. Juli 2007 habe kein anderer Handelsteilnehmer "einen auch nur annähernd so bedeutenden Anteil am börslichen Handel in MEL-Zertifikaten wie die Meinl Bank" gehabt. Diese komme allein auf einen Marktanteil - Käufe und Verkäufe bezogen auf den Börsenumsatz - von rund 84 Prozent. "Die Meinl Bank hat den MEL-Handel absolut dominiert", stellt der Sachverständige fest.

Der Gutachter sah sich dem Zeitungsbericht zufolge auch die MEL-Schlusskurse an, die die Basis für den nächsten Handelstag bildeten: An 92 von 115 Handelstagen liege der Schlusskurs über den vorangegangenen zehn Kursen. "Eine gewisse Häufung hoher Werte ist von Ende Mai bis Anfang Juni 2007 zu erkennen", so Freudenmann. "Das legt die Vermutung nahe, dass systematisch durch Einstellen von Kauforders auf die Preisbildung eingewirkt wurde."

Kurssturz durch Verhalten der Meinl Bank?

Das Handelsverhalten der Meinl Bank habe, so Freudenmann laut "Wiener Zeitung", nicht ausgleichend auf die Schlusskurse gewirkt. "Der Market Maker hat das Ausmaß seines Handelns stark an der Kursentwicklung der MEL-Zertifikate selbst ausgerichtet. Während im Zeitraum Februar bis April 2007 bei fallenden Kursen gekauft und bei steigenden Kursen verkauft wurde, fanden im Zeitraum Mai bis Juli per saldo fast ausschließlich Rückkäufe statt, die sich in ihrer Intensität an der Kursentwicklung orientierten."

Stützt Freudenmanns rund 50.000 Euro teure Expertise nun die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft - und spielt damit Anlegern, die mit MEL-Zertifikaten Geld verloren hatten und die Meinl Bank geklagt haben, in die Hände? Oder handelt es sich bei dem Gutachten einfach um eine Aneinanderreihung offenkundiger Fakten? Darüber gehen die Meinungen - wenig überraschend - weit auseinander. "Hinsichtlich der Behauptung, dass der Kurssturz der MEL durch ein Verhalten der Meinl Bank oder MEL eingetreten sei, liefert das Gutachten keine Anhaltspunkte", ließ die Bank in einer Pressemitteilung wissen.

"Kann sich um Marktmanipulation handeln"

Der Gutachter schließt jedenfalls aus, dass der Kursverfall allein durch die Auflösung der Absicherungspositionen von Turbozertifikaten erklärt werden könne. Aber: "Das Gutachten bestätigt, dass der Verfall von Turbozertifikaten im Untersuchungszeitraum des Gutachtens, 26.7.2007 bis 31.8.2007, negativen Einfluss auf den Börsenkurs des MEL-Zertifikats hatte - also zu ungewöhnlich starken und heftigen Kursverlusten führte. Die Auflösung von Absicherungspositionen von Turbozertifikaten in Form von Verkäufen habe sich bei einzelnen Emittenten sogar mit bis zu 27 Prozent des täglichen Gesamthandelsvolumens an der Wiener Börse negativ niedergeschlagen", schreibt das Geldhaus.

Anwalt Michael Poduschka, der zahlreiche Meinl-Anleger vertritt, sieht das anders: "Der Gutachter stellt klar, dass es sich bei den Aktivitäten der Meinl Bank um Marktmanipulation handeln kann", so der Rechtsvertreter zur "Wiener Zeitung". "Es wurde etwas gemacht, was man möglicherweise als Market Maker nicht machen hätte dürfen."

Causa Meinl: Seit Jahren wird ermittelt

Die Ermittlungen in der Causa Meinl ziehen sich nun schon seit Jahren, eine noch immer nicht rückerstattete Rekordkaution von 100 Millionen Euro, mehrere Gutachterwechsel und heftige - verbale und juristische - Angriffe der Meinl Bank auf die Justiz inklusive. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Banker Julius Meinl und andere (ehemalige) Meinl-Manager u. a. des Betrugs und der Untreue. Es gilt die Unschuldsvermutung.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ARCHIVBILD: JULIUS MEINL V.
Die Bilanz

Julius Meinl und die Antisemitismus-Keule

Wirtschaftskriminalität. Wirtschaftsskandale und Korruption sollten von einer stark aufgewerteten und unabhängigen Staatsanwaltschaft aufgearbeitet werden. Derzeit gibt sich die Justiz zu viele Blößen.
Meinl Unfaire Behandlung wegen
Österreich

Meinl V. beklagt "harsche und unfaire Behandlung"

Ein Rechtsvertreter von Julius Meinl V. beschwert sich beim britischen Außenamt über die österreichische Behörden. Er vermutet einen Zusammenhang mit Meinls jüdischem Familienhintergrund.
Symbolbild
Österreich

Meinl Bank klagt erneut Gutachter

Die laufenden Betrugsermittlungen gegen die Meinl Bank und Julius Meinl V. werden mit neuen Einsprüchen erneut beträchtlich verzögert. Gegen Gerichtsgutachter Martin Geyer wurde nun eine Zivilklage eingebracht.
ARCHIVBILD: JULIUS MEINL V.
Die Bilanz

Julius Meinl und die Antisemitismus-Keule

Wirtschaftskriminalität. Wirtschaftsskandale und Korruption sollten von einer stark aufgewerteten und unabhängigen Staatsanwaltschaft aufgearbeitet werden. Derzeit gibt sich die Justiz zu viele Blößen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.