Der Ex-EZB-Chefvolkswirt wirft der Zentralbank verbotene Finanzierung von Staatshaushalten vor. Er sieht auch die Gefahr einer hohen Inflation.
Im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise hat die Europäischen Zentralbank (EZB) nach Überzeugung ihres früheren Chefvolkswirts Jürgen Stark "wiederholt rote Linien überschritten". In einem Kommentar für das "Handelsblatt" wirft Stark der Notenbank die verbotene Finanzierung von Staatshaushalten vor.
Der im Mai 2010 begonnene Kauf von Staatsanleihen der Krisenländer sei zwar geldpolitisch begründet worden: "De facto war es jedoch Fiskalpolitik und eine durch die Maastrichter Verträge verbotene monetäre Finanzierung von Staatsanleihen", betont Stark, der im September 2011 aus Protest gegen die Krisenpolitik der EZB zurückgetreten war.
Demokratische Legitimation fehlt
Für diesen Finanztransfer fehle der EZB jede demokratische Legitimation: "Die EZB darf das Marktgeschehen nicht nachhaltig stören", schreibt Stark: "Sie geriete damit in völlige Abhängigkeit der Politik."
Zwar ruht das Anleihenkaufprogramm seit Mitte März. Die EZB hatte Anfang August aber ein neues Programm unter bestimmten Bedingungen angekündigt, um die Risikoprämien der Krisenländer am Markt zu drücken. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte im EZB-Rat als einziger gegen den Plan von EZB-Chef Mario Draghi gestimmt.
Stark warnt die EZB davor, sich selbst zu überfordern und ihre Unabhängigkeit von der Politik aufs Spiel zu setzen. Letztlich werde die Zentralbank ihren Kernauftrag, die Preisstabilität zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen können: "Es droht die Gefahr hoher Inflation - nicht heute, nicht morgen, aber mittel- bis langfristig."
(APA/dpa)