Währungspolitik: EZB vor politischer Zerreißprobe

(c) AP (Michael Probst)
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Die Führung der Europäischen Zentralbank will mehrheitlich weitere Staatsanleihen ankaufen. Aber die Entscheidung ist politisch umstritten. Gleichzeitig sind Gräben im höchsten Gremium der Bank aufgebrochen.

Frankfurt/AG/WB. Mario Draghi hat abgesagt. Das diesjährige Treffen der internationalen Zentralbanker in Jackson Hole findet erstmals seit Jahren ohne den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) statt. Draghis Entscheidung, in Frankfurt zu bleiben, ist ein Indiz dafür, wie sehr die Nerven in der EZB-Führung blank liegen. Offiziell wird das Fernbleiben mit einem „großen Arbeitspensum“ entschuldigt. Doch das hängt wohl mit der für 6. September erwarteten Entscheidung über mögliche neue Staatsanleihenkäufe zusammen. Seit Tagen steigt der politische Druck auf die EZB-Führung. Die einen, von Italiens Ministerpräsident Mario Monti bis Frankreichs Staatspräsident François Hollande, fordern ein stärkeres Eingreifen der EZB in die Krise. Die anderen, vor allem deutsche CDU-, CSU- und FDP-Politiker, warnen immer lauter davor.

Gleichzeitig sind Gräben im höchsten Gremium der Bank aufgebrochen. Während mittlerweile eine Mehrheit der Euro-Zentralbank-Chefs einen neuerlichen Ankauf von Staatsanleihen auf den Sekundärmärkten für notwendig hält, warnen andere – allen voran der deutsche Bundesbankchef Jens Weidmann – vor einem solchen Schritt. In einem „Spiegel“-Interview sagte er diese Woche, eine Hilfe der EZB für angeschlagene Schuldnerländer könne „süchtig machen“. Weidmann ist laut deutschen Medien dafür, Länder wie Griechenland eher aus dem Euro auszuschließen, als die Geldwertstabilität zu gefährden. Der Bundesbankpräsident warnt davor, dass ein EZB-Eingriff den Spardruck in den angeschlagenen Ländern verringern könnte.

Anders dürfte Mario Monti argumentieren, wenn er am Mittwoch mit Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentrifft. Italiens Regierungschef tritt dafür ein, dass der hohe Spardruck mit Erleichterungen für die betroffenen Staaten einhergehen müsse, um die Gefahr einer Rezession zu minimieren. Ebenso wie sein spanischer Amtskollege Mariano Rajoy hat Monti dabei die EZB im Fokus. Sie soll stärker intervenieren, um die Märkte zu beruhigen.

Zerfall des Euro wird eingepreist

Für einen goldenen Mittelweg setzt sich nun das deutsche Mitglied im EZB-Direktorium, Jörg Asmussen, ein. Er unterstützt die Pläne von Draghi, Staatsanleihen nur unter der Bedingung anzukaufen, dass die betroffenen Länder zuvor ein Hilfsansuchen an den Euro-Rettungsschirm gerichtet haben. Dies würde bedeuten, dass sie EZB-Hilfe nur erhalten, wenn sie Auflagen für ihre Budgetkonsolidierung erfüllen. Asmussen warnte am Dienstag bei einer Rede in Hamburg vor einer anderen währungspolitischen Schicksalsspirale, als sie Weidmann mit der Gefahr einer höheren Inflation vorschwebt: „Die Risikoprämien, die von Investoren in Staatsanleihen verlangt werden, spiegeln mittlerweile nicht nur das Insolvenzrisiko einzelner Staaten wider, sondern sogar ein Wechselkursrisiko, das es theoretisch in der Währungsunion nicht geben dürfte.“ Das bedeute, dass die Märkte beginnen, das Auseinanderbrechen der Eurozone einzupreisen. Das aber sei für die EZB nicht akzeptabel.

Aber nicht nur beim Thema Staatsanleihen scheiden sich die Geister. Auch die Rolle der EZB bei der künftigen Bankaufsicht in Europa bleibt umstritten. Die Forderung des EZB-Direktoriums nach starken Kontrollrechten, die bis zur Zwangsschließung von Banken führen müsse, lehnen einige Politiker in den Euroländern ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2012)

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