Julius Meinl und die Antisemitismus-Keule

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ARCHIVBILD: JULIUS MEINL V.APA/ROLAND SCHLAGER
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Wirtschaftskriminalität. Wirtschaftsskandale und Korruption sollten von einer stark aufgewerteten und unabhängigen Staatsanwaltschaft aufgearbeitet werden. Derzeit gibt sich die Justiz zu viele Blößen.

Das hatte kommen müssen: Julius Meinl V. hat seinen britischen Anwalt die Nazi-Keule auspacken und in einem wehleidigen Brief an das britische Außenministerium klagen lassen, er werde von der österreichischen Justiz unter anderem wegen seiner britischen Staatsbürgerschaft und wegen seines „jüdischen Familienhintergrunds“ gegängelt. Der Außenminister möge doch bitte „einschreiten“.

Das ist fast immer wirkungsvoll, aber ziemlich billig. Schon während des Aktienskandals der Meinl European Land, der tausenden Österreichern herbe Vermögensverluste und Meinl (noch nicht abgeschlossene) Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs und Untreue beschert hatte, waren von der Meinl-Entourage Versuche gestartet worden, recherchierende Journalisten in dieses Eck zu drängen.

Halten wir also fest: Julius Meinl V. wird von der hiesigen Staatsanwaltschaft nicht wegen seines „jüdischen Familienhintergrunds“ verfolgt, sondern weil die Staatsanwaltschaft den Verdacht hegt, beim für österreichische Anleger sehr verlustreichen und für Meinl sehr profitablen  Finanzkarussell um die Immobiliengesellschaft Meinl European Land (MEL) seien Anleger massiv geschädigt worden.

Die MEL hatte ja die Vorteile der Steueroase Jersey (unter anderem laxe Informationspflichten) mit den organisatorischen Schwächen der Wiener Börse und der damaligen Wegschau-Mentalität der unter dem Einfluss des (jetzt nicht mehr) Meinl-Freundes und -Profiteurs Karl-Heinz Grasser stehenden Finanzmarktaufsicht (FMA) sehr geschickt zum eigenen Nutzen kombiniert.

Ob das alles nur sehr geschickt, aber legal war, oder ob dabei tatsächlich Gesetze verletzt wurden, wird hoffentlich bald ein Gericht klären. Dass die Ermittlungen schon fünf Jahre dauern, ist tatsächlich ein Skandal. Aber einer, an dem Meinl und seine Meinl Bank nicht ganz unbeteiligt sind: Immerhin ist schon eine zweistellige Millionensumme in Honorare an eine ganze Armada von Topanwälten geflossen, deren Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, die Ermittlungen der Staatsanwälte zu bekämpfen beziehungsweise durch Einsprüche gegen die Herausgabe von Beweismitteln zu verzögern. Allerdings: Auch die Staatsanwaltschaft hat schwer gepatzt. Etwa durch abenteuerliche Fehlgriffe bei der Auswahl von Gutachtern.

Das ist freilich ein gemeinsames Merkmal, das sich durch fast alle glamourösen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre zieht. Von den massenhaften Verfahrenseinstellungen bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt über das „Vergessen“ von Akten bis zur Verjährung bis hin zu den teilweise nicht gerade ambitioniert aussehenden Ermittlungen in politisch heiklen Fällen wie etwa dem Fall Grasser.

Mit dem forscheren Auftreten der Korruptionsstaatsanwaltschaft hat sich das zwar sichtbar gebessert. Aber das reicht noch nicht. Denn neben den noch immer nicht aufgearbeiteten „Alt“-Fällen wie etwa Meinl, Immofinanz, Buwog/Grasser etc. wird ja immer stärker das ungeheure Ausmaß der Korruptionswelle sichtbar, die dieses Land in den vergangenen zehn Jahren heimgesucht hat. Da tun sich vom kleinen Kärntner Landesrat bis hinauf zum von der Inseratenaffäre angepatzten Bundeskanzler Abgründe auf, deren Ausleuchtung die Kapazitäten der Justiz leicht überfordern dürfte.

Um das zu bewältigen, wird es wohl dringend notwendig sein, eine spezielle, wirtschaftlich geschulte Eingreiftruppe zu schaffen, die bei der Wiederherstellung der politischen Hygiene im Land behilflich sein kann. Vielleicht im Rahmen einer stark aufgewerteten, mit ausreichenden Kapazitäten versorgten Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Die sollte dann gleich mit Schwerpunkten beginnen. Etwa in Kärnten. Nicht, weil die Alltagskorruption an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik hier ein besonderes Maß erreicht hätte, sondern weil die dortigen Machthaber in der immer noch nachwirkenden „Anything goes“-Euphorie der Haider-Jahre besonders dummdreist vorgegangen sind.

Dort wird nämlich wirklich erst an der Spitze des Korruptions-eisbergs gekratzt. Obwohl er weit ins Land hinein sichtbar ist. Etwa in Form des insgesamt bisher fast 100 Mio. Euro teuren Fußballstadions, für das es zwar keinen Fußballklub gibt, das aber von wilden Gerüchten umrankt wird.

Gestern erst ist eine Anzeige gegen den Landeshauptmann und Straßenbaureferenten Dörfler bekannt geworden. Inhalt: Wer einen Bauauftrag vom Land Kärnten will, der müsse ein bis zehn Prozent der Bausumme „spenden“.
Das ist natürlich – hier wie auch im Rest Österreichs – völlig undenkbar: Baukonzerne wie etwa die Strabag haben der FPK-Agentur Connect seinerzeit naturgemäß nur Geld gegeben, weil sie dringend „Layout-Beratung“ benötigten. Und dass Großkonzerne wie Rewe, Strabag und – ja, genau – die Hypo Alpe Adria als „Stifter“ ganz uneigennützig Millionen in eine von Haider initiierte gemeinnützige „Kärnten Privatstiftung“ einzahlen, in der dann die Chefs der Landesholding den Vorstand und der Landeshauptmann und Baureferent den Aufsichtsratsvorsitz stellen – nun, das ist doch eigentlich ganz normal, oder?

Man sieht, es gibt offenbar ein weites Feld für Sumpftrockenleger. Man sollte sie endlich mit der nötigen Kapazität und Handlungsfreiheit ausstatten.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30. August 2012)

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