Häupl: „Es droht ja keine Schlacht im Tullnerfeld"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Wiener Bürgermeister über die Macht der Landeschefs, die Grenzen der direkten Demokratie und warum man über die Neutralität nicht debattieren muss.

Die Presse: Sie haben das Thema Wehrpflicht begonnen, Erwin Pröll führt es nun zu Ende?

Michael Häupl: Das ist nicht das Wichtige daran. Meine Argumentation lautete: Wenn die Regierung nichts zu einer so wesentlichen Lebensplanungsfrage von jungen Männern zusammenbringt, soll das Volk entscheiden. Erwin Pröll ist offenbar in der ÖVP durchsetzungsfähiger als ich.

Das heißt: Sie sind der einzig Durchsetzungsfähige in der SPÖ und er in der ÖVP?

Gar nicht. Die SPÖ - wenn auch nicht alle - hat die Auffassung vertreten, dass ein professionelles Freiwilligenheer, dessen Aufgaben auf die jetzige Zeit abgestimmt werden, richtig ist. Das war eine sehr rasche Meinungsbildung.

Ich sprach eher davon, dass durch ein Zeitungsinterview der wahren Regierungschefs Häupl und Pröll die jeweilige Parteilinie geändert wurde.

Und ich versuche, diese These wortreich zu falsifizieren. Der Parteichef der SPÖ heißt Werner Faymann. Punkt.

Es gibt auch in der Sozialdemokratie, gerade in ländlichen Gebieten, die Furcht, dass ein Berufsheer den Katastrophenschutz nicht sicherstellt.

Das halte ich für ÖVP-Propaganda. Eine Professionalisierung des Heeres bedeutet die Rettung der Miliz, die durch frühere Aktivitäten infrage gestellt wurde. Die Miliz wird gestärkt, und es gibt eine ganz andere sozialrechtliche Absicherung, wenn es im Katastrophenfall zu einer Mobilisierung kommt. Bei den Aufgaben, die wir schon jetzt im Rahmen internationaler Verpflichtungen erfüllen, wird sich nicht rasend viel ändern. Und beim Katastrophenschutz bin ich überzeugt, dass die Einsatzfähigkeit eher infrage gestellt wird, wenn wir weiterwursteln wie bisher.

Der Nachteil beim Milizionär ist, dass der nicht auf Knopfdruck Zeit hat, wenn die Katastrophe ausbricht.

Das gälte für die Freiwillige Feuerwehr noch viel mehr. Bei den Katastrophenschutzplänen geht es darum, Berufsheer, Miliz und die Hilfsorganisationen abzustimmen.

An das altmodische Argument, dass man jungen Männern einen Dienst am Vaterland zumutet, weil das für das „Wir-Gefühl" besser sei und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund fördere, glauben Sie nicht?

Nein. Jeder, der meint, seine patriotischen Gefühle ausschließlich über den Dienst am Vaterland - und nicht zum Beispiel am Fußballplatz - ausleben zu müssen, der kann das ja. Wir leben aber nicht in der Zeit, wo eine Panzerschlacht im Tullnerfeld droht. Sondern sind von EU- und Nato-Staaten umgeben, wo unsere Sicherheit im Rahmen europäischer Sicherheitsbedürfnisse ganz andere Aufgaben hat als vor 40 Jahren. Was wir übrigens auch nicht brauchen - und das steht noch immer im Wehrgesetz - ist, dass das Heer die Sicherheit nach Innen gewährleistet. Dafür haben wir die Polizei.

Die Teilnahme an den Petersberger Aufgaben (Pflichten der EU-Mitglieder auf militärischer Ebene, u. a. Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung) interpretieren ja viele so, dass das de facto eine massive Einschränkung unserer Neutralität war. Wären es nicht sinnvoll, im Zuge einer solchen Debatte reinen Wein einzuschenken?

Ich halte diese Kooperation durchaus für mit der Neutralität vereinbar.

Könnten Sie sich vorstellen, dass bei einem Freiwilligenheer - wie auch in einigen anderen Ländern - Nicht-Staatsbürger mitmachen?

Man kann das diskutieren, aber grundsätzlich sollte man daran festhalten, dass man österreichischer Staatsbürger sein muss.

Sie überlegen, gleichzeitig mit der Bundesheer-Volksbefragung in Wien die Befragung über das Verkehrskonzept abzuhalten. Mobilisiert die Wehrpflicht-Frage Rot-Grün-Sympathisanten?

Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht ausschließe, und dass man sich das überlegen muss. Dafür spricht, dass die Wiener nur einmal hingehen müssten. Dagegen, dass die Bundesparteivorsitzenden vereinbart haben, dass es nur eine Frage gibt.

In Wien wird über ein Verkehrskonzept abgestimmt, aber nicht wie 170.000 Unterschreibende sich das wünschen, über die Ausweitung des Parkpickerls. Laut Rechtsmeinung des Magistrats sei das so, weil man über Gebühren keine Befragung machen darf. Damals bei der Citymaut war das aber kein Problem.

Das ist keine Rechtsmeinung, sondern Verfassungswahrheit. Der Unterschied ist, dass das Parkpickerl vor 20 Jahren eingeführt wurde und die Ausweitung nur ein Verwaltungsakt ist. Die Citymaut hingegen gibt es in Wien gar nicht.

Ein Thema der Befragung wird ein Konzept für den ruhenden Verkehr sein. Die Autofahrerclubs sind von den Verhandlungen abgesprungen, weil sie finden, dass man mit der Ausweitung des Parkpickerls die Verhandlungen hätte abwarten sollen.

Für mich ist es undenkbar, dass die Interessenvertreter der Autofahrer an der Debatte nicht teilnehmen. Wir werden einen Weg finden.

Warum ließ sich die Ausweitung nicht aufschieben?

Es ist ja nicht so, dass wir nicht auf bestimmte Dinge reagiert hätten. Es gab räumliche, zeitliche und kostenmäßige Adaptionen. Ich kann aber nicht hergehen und sagen: Der Bezirk beschließt etwas und ich sage dann Nein, das machen wir nicht. Ist das denn demokratisch?

Und was ist mit den 170.000 Unterschriften?

Die partizipative Demokratie ersetzt nicht die parlamentarische Demokratie, sondern ergänzt sie.

Das heißt, in Wahrheit bringen solche Unterschriftenlisten nichts?

Das kann man so nicht sagen. Der ursprüngliche Plan wurde ja modifiziert.

Bleiben wir bei der direkten Demokratie: Die SPÖ ist beim Thema gespalten. Dem Modell von Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) zufolge könnte - nach längerem Prozedere - die Bevölkerung den Nationalrat „overrulen".

Diese Automatik, die de facto die Ausschaltung des Parlaments bedeutet, werde ich nie akzeptieren. Ich bin für die Stärkung der Instrumente der direkten Demokratie, aber nicht für die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie.

Glauben Sie, dass die Parlamentspräsidentin die parlamentarische Demokratie abschaffen will?

Nein. Sie wird es nicht konsequent durchgedacht haben.

Was halten Sie eigentlich von einer Abstimmung über die Studiengebühr?

Wenig. Ich glaube, dass es auch der falsche Ansatz ist. Man müsste vorher das Stipendiensystem für den Mittelstand ausbauen.

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas würde gerne eine Steuer für reiche Akademiker einführen. Eine gute Idee?

Ich halte das noch immer für absurd. Bei der geringen Zahl von Akademikern in unserem Land ist das nicht akzeptabel.

Die Rathaus-Auguren glauben zu erkennen, dass Sie sich mit ihrer Ankündigung, 2015 wieder anzutreten, nur Luft verschafft haben, um in Ruhe einen Nachfolger aufzubauen.

Das ist eine köstliche Interpretation, aber vermutlich haben Sie recht. Es ist nicht die extremste Koketterie, wenn ein 63-Jähriger sagt, er denkt nach, wie sein Nachfolger ausschaut - aber in aller Ruhe und mit viel Zeit.

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