EZB-Machtkampf: Bundesbank-Chef erwog Rücktritt

EZBMachtkampf BundesbankChef erwog Ruecktritt
EZBMachtkampf BundesbankChef erwog Ruecktritt(c) Reuters (Alex Domanski)
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Der Streit um den EZB-Kurs eskaliert. Der Graben zwischen EZB-Chef Draghi und dem deutschen Bundesbank-Chef Weidmann wird immer tiefer.

Wenige Tage vor der nächsten Sitzung des EZB-Rats eskaliert der Streit über den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Schuldenkrise. Wie die "Bild"-Zeitung am Freitag unter Berufung auf Finanzkreise berichtete, hat Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, wegen des sich abzeichnenden Anleihekaufprogramms der EZB zugunsten von finanzmaroden Euro-Ländern in den vergangenen Wochen mehrfach seinen Rücktritt erwogen.

Auch wenn die Bundesbank den Bericht nicht bestätigen wollte, steigt der Druck auf die EZB und deren Chef Mario Draghi in einer äußerst kritischen Phase für den Euro. Der französische EZB-Direktor Benoit Coeure betonte jedoch, die Zentralbank halte an ihren Plänen fest. Die EZB werde alles innerhalb ihres Mandats tun, um den Erhalt der Gemeinschaftswährung zu sichern, sagte Coeure. Die Lage sei ernst: "Der Bestand des Euro ist in Gefahr."

Streitpunkt verbotene Staatsfinanzierung

Der europäische Bankenindex reagierte positiv auf die Beteuerung des Franzosen, dass Draghi Kurs halten werde. Händler begründeten die allgemeine Stärke des Marktes mit der dadurch wieder verstärkten Hoffnung auf ein neues Anleihenkaufprogramm der EZB.

Über die Grenzen des Mandats der Zentralbank war es in der EZB zu einem offenem Streit gekommen. Der Bundesbankchef kritisiert die Pläne Draghis wegen der Nähe zur verbotenen Staatsfinanzierung, während der EZB-Chef die Ankäufe als eine in Krisenzeiten gebotene Notmaßnahme zum Erhalt des Euro verteidigt. Schon Weidmanns Vorgänger Axel Weber und EZB-Chefökonom Jürgen Stark waren im vergangenen Jahr im Streit mit der EZB gegangen. Weidmann wäre der dritte deutsche Notenbanker, der in der Schuldenkrise aus Frust über die Euro-Notenbank das Handtuch wirft.

Merkel stärkt Weidmann den Rücken

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters will der Bundesbank-Chef im Amt bleiben und kommenden Donnerstag im EZB-Rat gegen das von der großen Mehrheit des EZB-Rats gestützte zweite Aufkaufprogramm für Anleihen südeuropäischer Schuldenstaaten kämpfen. Weidmann nimmt derzeit an einer Notenbanker-Konferenz der US-Zentralbank in Jackson Hole in den Rocky Mountains teil. Draghi hatte seine Teilnahme wegen hoher Arbeitsbelastung vor der Ratssitzung abgesagt.

Weidmann habe einen Rücktritt auch im engsten Kreis der Bundesbank-Spitze erörtert, berichtete die "Bild"-Zeitung. Die deutsche Regierung habe intern aber auf sein Bleiben gedrungen. Vize-Regierungssprecher Georg Streiter wollte sich dazu nicht äußern, fügte aber hinzu: "Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkt Jens Weidmann als unserem Bundesbanker den Rücken, dass er möglichst viel Einfluss innerhalb der EZB hat."

"Euro soll so hart bleiben wie die Mark war"

In einem Anfang der Woche veröffentlichten Interview mit dem "Spiegel" hatte der oberste deutsche Notenbanker selbst einem Rückzug von seinem Amt eine Absage erteilt: "Ich kann meiner Aufgabe am besten gerecht werden, wenn ich im Amt bleibe. Ich will dafür arbeiten, dass der Euro genauso hart bleibt, wie die Mark es war." EZB-Chef Draghi hatte Anfang August ein weiteres Anleihenankaufprogramm für Schuldenstaaten in Aussicht gestellt, die sich unter den Euro-Rettungsschirm ESM begeben und sich im Gegenzug zu Reformen verpflichten.

Der offene Schlagabtausch zwischen Draghi und Weidmann könnte die Wirksamkeit des kommenden Anleiheprogramms gefährden: "Meine Angst ist, dass seine eigene Entscheidung auf Prinzipien beruht, aber dass er dadurch, dass er vorher aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, hofft, dass das Ausmaß der ganzen Operation geringer ausfällt", sagte ein hochrangiger Notenbanker zu Reuters. "Das würde ein Fragezeichen dahinter machen, wie weit wir gehen können." Experten gehen davon aus, dass nur eine starke und wuchtige Aktion der EZB die Finanzmärkte beeindrucken kann.

IWF als "externer Polizist"

Parallel zum Streit zwischen Weidmann und Draghi versucht offenbar der zweite Deutsche im EZB-Rat, Ex-Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, die Details des kommenden Anleiheprogramms mehr in Weidmanns Richtung zu lenken. Asmussen sagte am Donnerstag in Potsdam, die EZB solle überschuldeten Ländern nur dann unter die Arme greifen, wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) an der Festlegung der damit verbundenen Auflagen beteiligt sei. Der IWF verfüge über das entsprechende Know-how und habe als "externer Polizist" einen effektiven Hebel in der Hand, sagte Asmussen.

Draghi und die große Mehrheit im EZB-Rat wollen mit den Bondkäufen den Druck der Finanzmärkte auf die Problemländer im Süden der Euro-Zone abfedern, indem sie deren Zinslast durch gezielte Interventionen senken. Viele Ökonomen befürworten dieses Kurs, der allerdings auch Risiken birgt. Ex-EZB-Chefökonom Stark warnt vor steigender Inflation auf mittlere Sicht.

(APA/Reuters)

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