EZB: Es wird sehr einsam um Jens Weidmann

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Der Bundesbankchef wird von Berlin nicht unterstützt – und denkt bereits an einen Rücktritt. Darüber reibt man sich in Südeuropa die Hände.

Berlin/Gau. Weber, Stark – und bald auch Weidmann? Laut „FAZ“ und „Bild“ denkt der deutsche Bundesbankpräsident nach 16 Monaten im Amt schon an Rücktritt, weil er in der EZB auf verlorenem Posten steht. Aber noch will er standhalten, als letzte Bastion einer Geldpolitik, die sich klar an die Statuten der Europäischen Zentralbank und der Euroverträge hält. Der Streit um die geplanten Anleihekäufe im großen Stil wird ungewohnt offen geführt: Im „Spiegel“ warnte Weidmann, dass eine Staatsfinanzierung durch die Notenbank „süchtig machen kann wie eine Droge“. EZB-Präsident Mario Draghi konterte prompt und prominent, in einem Gastbeitrag auf der Titelseite der „Zeit“.

Um Weidmann herum wird es einsam. Auch EZB-Chefvolkswirt Jörg Asmussen, der zweite Deutsche im Direktorium, fällt ihm in den Rücken. Darüber reibt man sich in Südeuropa die Hände. Für die spanische Wirtschaftszeitung „Cinco Días“ ist der EZB-Chef nun „endlich frei“: Weidmanns Meinung sei nur mehr eine „unter vielen, nicht mehr die geschlossene Haltung des wichtigsten Mitglieds der Eurozone“.

Merkel schweigt, Bayern poltert

Keine „geschlossene Haltung“ zeigt freilich schon zuvor die deutsche Politik. Weidmann weiß zwar die Mehrzahl der Ökonomen, die meisten Medien und das Bauchgefühl der Deutschen auf seiner Seite, aber aus Berlin darf er sich keinen Rückhalt erwarten. Kanzlerin Merkel verhält sich im Endkampf ihres Ex-Wirtschaftsberaters auffallend still. Offen unterstützen ihn nur Finanzpolitiker der zweiten Reihe – und Rabauken aus Bayern, wie CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der Draghi zum „Falschmünzer“ stempelte und dafür scharfe Kritik von allen Seiten erntete.

Die Regierung aber scheint ein doppeltes Spiel zu spielen: Sie beruhigt die Bürger, indem sie eine offensichtliche Haftungsunion durch Eurobonds oder Schuldentilgungsfonds wacker ablehnt. Dass dahinter die EZB ohne großes Aufsehen mit potenziell ähnlichem Effekt agiert, dürfte Merkels Truppe aber nicht unrecht sein. Das werfen zumindest SPD und Grüne der Koalition vor – also ausgerechnet jene Kräfte, die sich für eine politisch gesteuerte Haftungsunion starkmachen. Für die Opposition laufen die EZB-Pläne auf eine unkontrollierte Vergemeinschaftung der Schulden „durch die Hintertür“ hinaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2012)

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