Slowenien kann seine Rechnungen nur noch wenige Wochen begleichen. Österreich ist im kriselnden Nachbarland mit 5,7 Milliarden Euro investiert.
Die wirtschaftliche Verflechtung Österreichs mit dem südlichen Nachbarland Slowenien, dem laut Ministerpräsident Janez Jansa die Zahlungsunfähigkeit drohen könnte, ist sehr eng. "Österreich ist dort der mit Abstand größte Investor - mit 5,7 Milliarden Euro stellen wir knapp 50 Prozent der Auslandsinvestitionen", sagte der Handelsdelegierte der Außenwirtschaftsorganisation der Wirtschaftskammer (WKÖ) in Slowenien, Christian Miller, am Montag.
Von einer Zahlungsunfähigkeit des gesamten Landes geht der Marktexperte allerdings nicht aus. Ein Antrag auf EU-Bankenhilfe ist seiner Einschätzung nach wahrscheinlicher. Miller kann sich ein Szenario vorstellen, wonach Slowenien unter den Rettungsschirm der EU schlüpft und Kapital zur Erhöhung der Eigenkapitalquote der Banken benötigt. Die slowenischen Finanzinstitute gelten als der größte Problembrocken - sie könnten groben Schätzungen zufolge zwischen zwei und fünf Milliarden Euro auftreiben müssen. Dieses Volumen sprengt zwar die finanziellen Möglichkeiten Sloweniens, für die EU hingegen seien die genannten Milliarden "vergleichsweise Pipifax-Beträge".
Slowenische Banken sind das Problem
Alle österreichischen Banken sind dem Wirtschaftsdelegierten zufolge in Slowenien tätig, allerdings haben sie dort "nicht die Marktführerposition". Führend ist dort vielmehr die slowenische Großbank NLB (Nova Ljubljanska Banka). Die Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik ist sehr eng. Bei der staatlich kontrollierten Bank NLB ist die belgische Finanzgruppe KBC mit einem Anteil von 25 Prozent der zweitgrößte Aktionär, die ursprünglich angepeilte Mehrheit haben die Belgier nie erreicht. Die größte slowenische Bank sitzt auf einem Berg von notleidenden Krediten - angeblich insgesamt 1,5 Milliarden Euro.
"Das Problem wird sein, dass die ganzen Banken schlagend werden", so Miller. Dies sei das Kernthema der slowenischen Regierung. "Wenn Slowenien den Banken aushelfen muss, handelt es sich um einen großen Betrag, den das Land nicht finanzieren kann." Denn schon jetzt machen den dortigen Politikern die Mitte 2013 fällig werdenden Staatsverbindlichkeiten in Höhe von zwei Milliarden Euro zu schaffen.
"Österreich ist eindeutig gefährdet"
Auch William Jackson von der Londoner Analystenfirma Capital Economics ist der Ansicht, dass eine mögliche Staatspleite Sloweniens Österreich am stärksten gefährden würde. "Österreich ist im Worst-Case-Szenario eindeutig gefährdet, weil sein Bankensystem am stärksten in Slowenien exponiert ist", sagte er am Montagnachmittag. Allerdings seien die Risiken überschaubar, weil Slowenien eine kleine Volkswirtschaft sei.
Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 35 Milliarden Euro ließe sich ein Bail-out Sloweniens mit dem vergleichsweise geringen Betrag von fünf Milliarden Euro bewerkstelligen. "Es wäre also ziemlich einfach für den IWF und die EU, zu Hilfe zu kommen", betonte Jackson. Dies bedeute auch, dass die Risiken für den österreichischen Bankensektor "begrenzt" seien, so Jackson. Die heimischen Banken seien etwa in Ungarn viel stärker exponiert als in Slowenien.
Ausverkauf slowenischer Anleihen droht
Zwar habe die Regierung Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung gesetzt, doch ungeachtet aller Anstrengungen hänge es "nicht mehr von ihr ab, ob sie letztlich ohne Hilfe von IWF oder EU auskommen wird", meinte der Analyst. Dafür gebe es zwei Gründe: Erstens könnte eine neuerliche Zuspitzung der Euro-Krise die Zinsen für slowenische Staatsanleihen wieder über die kritische Grenze von sieben Prozent treiben, zweitens gebe es "viele Unsicherheiten" im slowenischen Bankensystem. Wenn die Märkte zur Einschätzung gelangen, dass die Rekapitalisierung der Banken nicht ohne Regierungshilfe bewerkstelligt werden kann, könnte dies "einen Ausverkauf von Anleihen" auslösen.
Die weitere Wirtschaftsentwicklung Sloweniens sieht Jackson düster. Das Land stehe vor mehreren Jahren Budgetkonsolidierung, die zu einem Teufelskreis aus schwachem Wirtschaftswachstum, geringeren Staatseinnahmen und zusätzlichen Konsolidierungsbedarf führe.
Slowenien droht im Oktober die Pleite
Vergangenen Freitag hatte der konservative Ministerpräsident Jansa in einem Interview gesagt, Slowenien drohe bereits im Oktober die Zahlungsunfähigkeit, wenn es nicht gelinge, Anleihen zu verkaufen. Schon jetzt könne sich der frühere EU-Musterschüler auf dem Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren - die Kreditaufnahme sei "praktisch unmöglich". Slowenien wird bereits seit Monaten als nächster Kandidat für den Euro-Rettungsschirm gehandelt. Da Slowenien derzeit keine Euros von Investoren bekommt, kündigte Jansa für Oktober oder November die Emission einer Anleihe in Höhe von 1,5 bis 2 Mrd. Dollar auf dem US-Markt an.
Österreich exportierte 2011 Waren im Wert von 2,3 Milliarden Euro nach Slowenien - fast so viel wie nach China (2,92 Mrd. Euro). Die Importe aus dem Land erreichten nur 1,6 Milliarden Euro. Folglich erzielte Österreich im bilateralen Warenaustausch einen Überschuss von 700 Millionen Euro. Das Aktivum könnte heuer aber etwas geringer ausfallen. Im ersten Quartal 2012 stagnierten die heimischen Ausfuhren in das südliche Nachbarland, die slowenischen Lieferungen hingegen erhöhten sich um 10 Prozent. Sloweniens wichtigster Handelspartner ist Deutschland - dahinter folgen Italien und Österreich.
(APA)