„Elisabeth“: Eine schöne Leich' für die Kaiserin

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„Elisabeth“ fällt wieder publikumswirksam dem Tod in die Arme: Mit jungem Ensemble im Raimund-Theater neu einstudiert, ist vor allem die Inszenierung der Trumpf des erfolgreichsten deutschsprachigen Musicals.

„Elisabeth ist ,in‘, / man spricht von ihr seit über hundert Jahr'n“, spöttelt ihr Mörder Luigi Lucheni. „Doch wie sie wirklich war, / das werdet ihr aus keinem Buch / und keinem Film erfahr'n.“ Aus einem Musical freilich auch nicht – wer würde das erwarten? Das Leben der Kaiserin fast ausschließlich als Kette tragischer Ereignisse darzustellen, vor allem jedoch als schmerzliche Liaison mit dem Tod, ist gewiss keine historisch fundierte, aber eine poetische und bühnenwirksame Idee.

Und gegen alle einschlägigen Vorwürfe wappnet sich der kluge Librettist Michael Kunze durchaus augenzwinkernd mit genau dieser Nummer „Kitsch“ am Beginn des zweiten Teils: „Tut bloß nicht so, / als wärt ihr an der Wahrheit interessiert“, lässt er Lucheni dem Publikum entgegenschleudern.

Dieser beginnt, Elisabeths Geschichte zu erzählen, weil er sich seit seinem Suizid im Gefängnis wiederholt vor einer überirdischen Gerichtsbarkeit verteidigen muss – und gibt dabei, anders als in der Realität, nicht sein Anarchistentum als Motiv an, sondern behauptet, nur ihren Todeswunsch erfüllt zu haben. Geschildert wird das Ganze dann freilich doch aus Sicht der leidenden Hauptfigur.

Erfolgreichstes deutsches Musical

„Elisabeth“, von Kunze und dem Komponisten Sylvester Levay geschaffen, ist tatsächlich „in“: Vom erfolgreichsten deutschsprachigen Musical überhaupt spricht seit der Uraufführung vor genau 20 Jahren im Theater an der Wien mittlerweile ein Publikum von achteinhalb Millionen aus elf Ländern von Europa bis Fernost, wo das Werk in insgesamt sieben Sprachen zu erleben war. Grund genug, zum Jubiläum die Heimkehr dieses ursprünglich speziell für Wien gedachten Stücks zu feiern.

Der dramaturgische Bogen trägt jedenfalls, auch wenn die notwendigerweise größeren Zeitsprünge nach der Pause etwas revuehaft anmuten und dann auch nicht mehr alle Episoden optimal gelöst erscheinen. Dabei sind die gewohnt körperbetonte, bewegungsintensive Regie des Altmeisters Harry Kupfer und Hans Schavernochs wandlungsfähiges Bühnenbild die größten Trümpfe dieser im Raimund-Theater neu einstudierten Originalproduktion – gewiss mehr als Levays von Koen Schoots dirigierte, effektsichere, etwas pauschal laut und einheitsbreiig aus den Verstärkerboxen kommende Musik.

Gemeinsam mit der Marionetten oder gar Zombies suggerierenden Choreografie (Dennis Callahan), Film- und Bildprojektionen sowie ironisch gebrochener „Opulenz“ von Ringelspielholzpferdchen vor kaiserlichen Kutschen bis hin zu Schönbrunner Interieurs ergibt sich daraus von Beginn an eine „Pomp funèbre“ in düsterem Schwarzgold, eine „schöne Leich'“ – wobei sich immer wieder jene ins Monumentale gesteigerte Feile bedrohlich ins Ambiente senkt, die Sisis Leben beendet hat. Sprachlich ergibt sich freilich eine Diskrepanz: Lucheni (Kurosch Abbasi steigert sich nach anfänglicher Nervosität) ist der Einzige, der zumindest zu Beginn in Akzent und Gestik als Italiener definiert wird. Alle anderen hingegen artikulieren sich durchwegs in jenem teils etwas schnoddrigen Musical-Deutsch, an dem jedes Lokalkolorit abprallt.

Singen in hochartifizieller Manier

Es zählt offenbar zu den Gesetzen des Genres, dass etwa Elisabeth auch dann schon, wenn sie als barfüßiges Naturkind vom Land eingeführt wird, in dieser hochartifiziellen Manier singt: Annemieke van Dam hat da „schon ganz den exaltierten Ton von der Mama“, wie Hofmannsthal seine Arabella einmal anmerken lässt, klingt stellenweise etwas flackrig, kann aber im Lauf des Stücks eindrucksvolle Reserven mobilisieren und wirkt auch in unangenehmer vokaler Höhe noch imposant.

Christian Peter Hauser mutet konsequenterweise als Herzog Max auch in den Dialogen keinen Deut bayrischer an als einst Gustav Knuth in Marischkas „Sissi“-Filmen, Daniela Ziegler zeigt als (vom Stück her allzu platt böse) Erzherzogin Sophie ihrer Schwiegertochter gleichfalls eine eher norddeutsche kalte Schulter. Aber die Besetzung ist insgesamt gut, selbst wenn der tadellos schön singende Franziskus Hartenstein (Franz Joseph) etwas braver wirkt als nötig und Mark Seibert als durchaus vitaler Tod anfangs nicht alle Töne sofort findet. Zum Höhepunkt der Aufführung aber wird sein letal endendes Duett mit dem herausragend intensiven Anton Zetterholm in der Partie des Kronprinzen Rudolf: eine Entdeckung. Frenetischer Applaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2012)

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