Deutschland auf Stromhilfe aus Österreich angewiesen

Deutschland braucht oesterreichStromhilfe noch
Deutschland braucht oesterreichStromhilfe noch(c) AP (Timur Emek)
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Deutschland werde noch "für die nächsten 50 Jahre" Stromlieferungen aus Österreich brauchen, sagt der größte deutsche Stromnetzbetreiber Tennet.

Deutschland wird nicht nur vorübergehend, sondern noch "für die nächsten 50 Jahre" Stromlieferungen aus Österreich zur Unterstützung in der Energiewende brauchen. Das meint Michael Fuchs, Chef des größten der vier deutschen Übertragsnetz-Betreiber Tennet. Dabei handle es sich nicht nur um eine Aushilfe, sondern um eine Symbiose, sagte er am Donnerstagabend in Wien. Vergangenen Winter hatte Österreich dem Nachbarn erstmals mit Reserve-Kapazitäten unter die Arme gegriffen. "Die Kaltreserve aus Österreich im vergangenen Winter war notwendig, weil es vor allem um Strom an der Südgrenze Deutschlands gegangen ist", so der Tennet-Chef. Die Austro-Stromhilfe war von EVN und Verbund gekommen. Erstmals abgerufen wurde sie Anfang Dezember. Nötig wurde das durch die ersten AKW-Abschaltungen des Atomausstiegs.

In Deutschland selbst kämpft Tennet mit dem immensen und weiter stark steigenden Wind- und Photovoltaik-Stromangebot, auch weil dieses sehr starken natürlichen Schwankungen unterliegt. Die Belastung für die Netze und die Anforderungen an den Ausbau der Stromtrassen werde stark wachsen, da der Erneuerbaren-Anteil von heute 20 Prozent auf 35 Prozent klettern soll.

3800 Kilometer neue Stromtrassen nötig

Neben der Photovoltaik - allein Bayern hat laut Fuchs bereits zehn Prozent der Welt-Photovoltaik-Kapazität installiert - stellen vor allem die Offshore-Windräder im Norden Deutschlands "eine gewaltige Herausforderung" für die Netzbetreiber dar, die den Strom zu den großen Verbrauchszentren bringen müssen, die überwiegend im Süden des Landes liegen.

Zu dem Zweck haben die Übertragungsnetzbetreiber vor dem Sommer gemeinsam einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, demzufolge 3800 Kilometer neue Stromtrassen nötig sind, etwa ein Zehntel dessen zusätzlich, was derzeit schon vorhanden ist. 2000 Kilometer davon könnten Gleichstromverbindungen sein, die sich erst über große Strecken rechnen, da dann eine Umwandlung in Wechselstrom (Drehstrom) erforderlich ist. Die Kosten für diesen Netzausbau sind mit 20 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre angenommen. Laut Tennet-Chef ist das "nur ein Zehntel dessen, was wir für die Erneuerbaren ausgeben".

Strompreis: "Staatsquote" liegt bei 45 Prozent

Die Ökostrom-Einspeisevergütungen nach dem "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG), die den Betreibern für 20 Jahre gesichert seien, würden dieses Jahr bereits 17 Milliarden Euro ausmachen. Im Jahr 2005 waren es erst vier Milliarden Euro. Heuer beträgt die EEG-Umlage bereits 3,59 Cent pro Kilowattstunde (kWh), vor fünf Jahren war es erst 1 Cent/kWh. 2013 könnte der Zuschlag, den die deutschen Stromkunden berappen müssen, auf bis zu 4,3 Cent steigen, verwies Fuchs. Hinzu komme noch die Mehrwertsteuer von 19 Prozent, sodass der Bruttobetrag für die Verbraucher 6 Cent/kWh ausmachen könnte. Damit betrage die "Staatsquote" beim deutschen Strompreis - alles das, was der Staat beeinflusst - dann bereits 45 Prozent.

Tennet selbst kommt mit dem durch Wind- und Photovoltaik-Strom-Überangebot rasch nötigen Netzausbau kaum nach. "Wir blockieren nicht die Energiewende, es geht aber nicht rascher, weil die Lieferanten nicht können." Allein wegen der Offshore-Windanlagen habe Tennet zwischen 2010 und 2012 bereits sechs Milliarden Euro an Investitionsverpflichtungen eingehen müssen.

Kritik an Risikoübernahme für Netzbetreiber

Nicht tragbar sei, dass die Übertragungsnetzbetreiber dafür haften sollen, falls bestimmte für Windanlagen oder Photovoltaik nötige Leitungen nicht zeitgerecht fertig sind. Denn seit einigen Jahren ist für solche Ökostrom-Anlagen - aber nicht etwa bei konventionellen Gaskraftwerken - die komplette Risikoübernahme den Netzbetreibern vorgeschrieben. Dabei geht es um eine fiktive Abgeltung von Einspeisetarifen. Große Investoren stünden bei Tennet mit Milliarden ante portas, doch würden die ohne Risikoübernahme durch andere kein Geld zur Verfügung stellen, sofern es keine Erleichterungen bei den Haftungsregeln und der Versicherbarkeit gibt.

Tennet verfügt über ein Stromnetz von 20.392 km Länge und versorgt 36 Millionen Kunden. Im Jahr 2011 betrug der Umsatz 1,525 Milliarden Euro (ohne EEG). Das Unternehmen zählt zirka 2000 Beschäftigte.

(APA)

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