Der einsame Kampf der Bundesbank

einsame Kampf Bundesbank
einsame Kampf Bundesbank(c) AP (Michael Probst)
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Was sich kurzfristig gut anfühlt kann langfristig fatale Folgen haben: Die Haftungsunion ist Realität und wenn die deutsche Wirtschaft erst mal anspringt, kommt auch die Inflation dazu. Bis die Blase irgendwann platzt.

Wien. Eigentlich sollte die Sache klar sein: Die Europäische Zentralbank EZB hat sich um die Preisstabilität zu kümmern. Darum, dass die Teuerung „knapp unter zwei Prozent“ bleibt – so lautet die Zielvorgabe für die EZB. Von Staatsanleihen hat die EZB eigentlich die Finger zu lassen – egal ob auf dem Primärmarkt, dem Sekundärmarkt oder sonst wo. Wenn eine Zentralbank Anleihen mit frisch gedrucktem Geld kauft, betreibt sie Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Und das darf die EZB eigentlich nicht. Mit Betonung auf eigentlich.

Horror Hyperinflation

Denn auch wenn die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, in Zukunft notfalls „unbegrenzt“ Staatsanleihen von Problemländern kaufen zu wollen, an den Börsen mit Erleichterung aufgenommen wurde und den Euro kurzfristig sogar stärkte: Diese Strategie bringt unheimliche Gefahren mit sich – vor allem langfristig. Und Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank, weiß das nur zu genau. Nie waren die geldpolitischen Gräben in Europa tiefer als in diesen Tagen. Die Bundesbank sah sich sogar genötigt, noch am Tag des EZB-Entscheids ihre Ablehnung desselben zu Protokoll zu geben.

Eine einmalige Aktion in der Geschichte des Eurosystems – die Mario Draghi offenbar selbst provozierte, als er flapsig meinte, die Journalisten dürften darüber spekulieren, wer die einzige Gegenstimme im EZB-Rat war. Es war natürlich Bundesbankchef Jens Weidmann. Und Donnerstagabend ließ der einen Sprecher konkretisieren: Die Vorgehensweise der EZB sei zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Die Geldpolitik laufe damit Gefahr, in das Schlepptau der Fiskalpolitik zu geraten. Weidmann steht nur im Direktorium der EZB allein da – in Deutschland wird er aber von einem Großteil der Bevölkerung unterstützt, wie Umfragen zeigen. Denn die Deutschen eint ein Trauma aus der Zwischenkriegszeit: Die Hyperinflation in der Weimarer Republik hat ihnen gezeigt, was passieren kann, wenn die Zentralbank Staatsfinanzierung durch die Notenpresse betreibt – zuerst nur notfalls, dann begrenzt und schließlich hemmungslos.

Aber so weit muss es gar nicht kommen. Selbst wenn Draghis Plan, die Märkte durch Gelddrucken zu beruhigen, kurzfristig aufgeht – langfristig könnte er verheerende Folgen haben. Statt einer stabilen Währungsunion, wie sie versprochen wurde, steuern wir auf eine „italienische Währungsunion“ zu – befürchtet Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank. „Wir bekommen erst eine Haftungsunion als Antwort der Politik auf die Krise. Das bannt das Risiko eines Auseinanderfallens der Währungsunion, verändert aber ihren Charakter: Sie wird zu einer italienischen Währungsunion, die sich auszeichnet durch eine lockere Geldpolitik“, erklärt Krämer im Gespräch mit der „Presse“.

Das Ergebnis: Eine lockere EZB-Politik führt zu hoher Inflation. Der Reformdruck sinkt auf null, weil der weiche Euro den Wettbewerbsdruck von den Peripherieländern nimmt. Und damit nicht genug: „Wir kommen jetzt in eine Situation, in der sich diese italienische Währungsunion auch für Deutschland, Österreich und die Benelux-Länder gut anfühlt“, so Krämer: „Wenn die Gefahr des Auseinanderbrechens der Eurozone durch die Haftungsunion erstmal gebannt ist, werden die niedrigen Zinsen einen Boom in Kerneuropa anfachen, die Lohnstückkosten in Deutschland und Österreich werden steigen und alle werden sagen: Geht doch! Bis auch die deutsche Wirtschaft überhitzt und die Blase platzt.“

Österreich stimmt mit dem Süden

Die Argumentation der EZB, dass Anleihenkäufe an Bedingungen geknüpft werden, lässt Krämer nicht gelten. Der EZB würde es reichen, wenn Länder sich Kreditlinien vom Rettungsschirm EFSF legen ließen. Und diese seien lediglich an „lasche“ Auflagen gebunden. „Das Wort ,strikt‘ kommt in unseren Publikationen im Zusammenhang mit Auflagen nicht mehr vor“, so Krämer.

An ein Umdenken in der EZB glaubt er nicht mehr. Selbst der Rest des „Hartwährungsklubs“ in Europa stimmte am Donnerstag gegen Weidmann. So auch OeNB-Chef Ewald Nowotny. Dabei hatte der noch vor einer Woche betont, zwischen National- und Bundesbank herrsche „völlige Übereinstimmung“. Am Freitag hieß es aus der OeNB dazu nur: „Kein Kommentar.“

Auf einen Blick

Die EZB will in Zukunft „unbegrenzt“ Staatsanleihen von Problemländern kaufen. Die Bundesbank stellt sich in einem inzwischen offenen Konflikt dagegen und warnt vor der „Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“. Und selbst wenn der EZB-Plan kurzfristig funktioniert: Es droht die Gefahr einer „italienischen Währungsunion“ mit hoher Inflation und einem weichen Euro, warnt der Chefökonom der Commerzbank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2012)

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