Obamas Bilanz lässt sich nicht schönreden

So sehr sich US-Demokraten bemühen, die Republikaner als herzlose und gierige Provinzdeppen anzuschwärzen: Abgestimmt wird bei der US-Präsidentenwahl über den Zustand der Wirtschaft.

Wer Barack Obama zuhört, glaubt zwischendurch noch immer, der Mann kann, wenn es wirklich hart auf hart kommt, Weißkopfseeadler vom Himmel und Moby Dick aus dem Meer reden. Auch nach fast vier Jahren im Weißen Haus ist Rhetorik seine größte Stärke. Es war eine schöne Ansprache, die der US-Präsident beim Parteitag der Demokraten in Charlotte hielt, gerade auch in ihren elegischen Demutsgesten („I am mindful of my own failings“). Doch die US-Wahlen am 6. November werden nicht nach ästhetischen Kriterien entschieden.

Die Poesie der Hoffnung mag Obama zu seinem Sieg vor vier Jahren und zu seinem unverdienten Friedensnobelpreis verholfen haben. Inzwischen jedoch zählt die Prosa einer bitteren Realität, die auch der begnadetste Phrasendrechsler nicht schönreden kann: Unmittelbar nach dem Parteitag der Demokraten trudelten die neuen Arbeitsmarktdaten ein. Die Arbeitslosigkeit über acht Prozent; die Quote ging laut Analyse der Obama-freundlichen „New York Times“ nur deshalb leicht zurück, weil hunderttausende Arbeiter aufgegeben haben, nach einem Job zu suchen. Der Effekt der 800-Milliarden-Dollar-Spritze, die der gute Präsident zu Beginn seiner Amtszeit der US-Wirtschaft als Gegengift zur Finanzkrise in die Venen gejagt hat, ist längst verpufft. Die amerikanische Ökonomie ist zwar besser in Fahrt als die europäische, aber bei Weitem nicht so angesprungen, wie es Obamas Team in diversen Budgetplänen erhofft hat.

Deutlich zugelegt haben lediglich die Staatsschulden, und zwar in einem Ausmaß, das bedenklich ist für den Status der Supermacht. Obama hat den Bleifuß am Schuldenpedal: Das wird als sein verhängnisvollstes Vermächtnis in die Geschichte eingehen. Natürlich wäre es unfair, ihm ungebremst die Folgen der Finanzkrise anzulasten, mit denen er seit seinem ersten Amtstag zu kämpfen hatte. Umgekehrt kann sich der 51-jährige Wortmagier nicht der Verantwortung entziehen. Welche Hypotheken auch immer auf den USA lasteten: Sobald Obama das Weiße Haus betrat, gehörte der Laden ihm. Er kann nun nicht mehr, wie noch im Wahlkampf 2008, glaubhaft als Anti-Bush auftreten. Denn sein verhasster Vorgänger, der Vater zweier unglückseliger und kostspieliger Kriege, ist mittlerweile klanglos in der historischen Versenkung verschwunden.

It's still the economy. Es geht bei dieser Wahl um die Bilanz Obamas, also um die Frage, ob es den Amerikanern besser geht als vor vier Jahren. Die zweite entscheidende Frage, die sich die US-Bürger stellen, lautet: Mit wem wird es uns in vier Jahren besser gehen, mit Obama oder Mitt Romney? Die Antwort auf die erste Frage fällt großteils negativ aus, und deshalb wollen die US-Demokraten den Eindruck vermitteln, dass mit einem Republikaner an der Spitze alles noch viel schlimmer gekommen wäre. Das kann man behaupten, aber kaum nachweisen. Nicht wegwischen lassen sich die miserablen Wirtschaftsdaten, die dem Präsidenten wie Mühlsteine um den Hals hängen. Auch da muss man einschränken, dass Obama erstens nicht allein für das Wohlergehen des Landes zuständig ist, zweitens sicher nicht alles falsch gemacht und drittens gerade auch die republikanische Opposition im Kongress so einiges blockiert hat. Aber so what? Im politischen Geschäft gelten andere Regeln als beim Turniertanz.

Die US-Demokraten werden in den kommenden Wochen versuchen, von ihrer Schwäche abzulenken und ihre Gegner anzuschwärzen. Ihre Propaganda-Abteilung wird die Republikaner als herzlose Geldmenschen porträtieren, als rückständige Frauenfeinde, als Provinzdeppen. Man kennt das. Den Ausschlag wird aber letztlich die Wirtschaftsfrage geben, und da hat der Manager Romney keine schlechten Karten, auch wenn er die Ausstrahlung einer 20-Watt-Glühbirne nach einem kleinen Stromausfall hat. Der Bedarf der Amerikaner nach Charisma und schönen Reden ist nach vier Jahren Obama gedeckt.



christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2012)

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