Werner Faymann kann das alles egal sein

Der Kanzler wird von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, in der Inseratenaffäre nicht die Wahrheit gesagt zu haben. In Österreich schadet ihm das offenbar nicht.

Werner Faymann in einem langen TV-Interview war und ist eine Sensation per se. Nicht, weil Armin Wolf die Fragen stellt, auch nicht, weil der Kanzler im schummrigen Hotel Altmannsdorf mehr oder weniger freiwillig kleine Einblicke in seine Biografie zuließ, sondern, weil der Kanzler auftreten musste. Denn der regierende SPÖ-Chef verweigert sich gern kritischen Journalistenfragen. Seine politische Kommunikation besteht seit jeher mehr in Kaffee-und-Gugelhupf-Storys wie jene in seiner „Krone“, denn in unberechenbaren Interviewsituationen wie in der ORF-Sendung „Report“ oder etwa in einem „Presse“- Interview. Anfragen dafür landen seit Jahren in endlosen Warteschleifen. (Wie fadenscheinig gestern, Montag, von der SPÖ verhindert wurde, dass Faymann unter den gleichen Bedingungen wie die anderen Parteichefs befragt werde, nämlich untertags in Form einer Aufzeichnung, belegt die Taktik. Er sei im Ausland, hieß es. War er gar nicht, stellte sich aber heraus.)

Das mag menschlich verständlich sein, offenbart aber das problematische Medien- und wohl auch Demokratieverständnis Faymanns. Der Mann war nicht immer so zurückhaltend: Sein politischer Aufstieg ist ganz eng mit seiner Medienpräsenz verknüpft. Über Jahre spielte er fast täglich – natürlich begleitet von Fotos, für die er sein heute charakteristisches Lächeln üben konnte – das Testimonial in eigener Sache. Egal, ob die Grundsteinlegung für einen neuen Gemeindebau oder Spatenstiche für neue Viertel der Stadterweiterung: Nicht einmal Erwin Prölls Kreisverkehrfeiern erreichten eine solche Frequenz.

Der ehemalige Wohnbaustadtrat übernahm sein persönliches PR-Erfolgsrezept in die Bundesregierung, es führte indirekt in die Inseratenaffäre. Fest steht, dass der damalige Infrastrukturminister Faymann, heute Bundeskanzler, und sein damaliger Bürochef Josef Ostermayer, heute Staatssekretär im Bundeskanzleramt, staatsnahe Unternehmen trotz fehlender Konkurrenz auf dem Markt dazu tatkräftig ermuntert haben, in befreundeten, mehr oder weniger auflagestarken Boulevardmedien zu inserieren. Wie sehr er die von ihm abhängigen Manager bearbeiten oder überzeugen musste und ob dies Schaden in diesen Unternehmungen angerichtet hatte, versuchte die Staatsanwaltschaft – in zwei Anläufen – zusammenzutragen. Wörtlich heißt es in einem im „Profil“ veröffentlichten Bericht der Staatsanwaltschaft Wien, dass Werner Faymann in einer Einvernahme eine „Schutzbehauptung“ aufgestellt habe. Also definitiv nicht die volle Wahrheit gesagt zu haben. Das wäre in einer benachbarten Demokratie wie der Schweiz oder in Deutschland kaum denkbar. Vor allem aber: In Österreich scheint Faymanns Verhalten ohne Konsequenzen zu bleiben.

Denn der Mann muss trotz zahlreicher offener Fragen über seine politische Verantwortung für die Inseratenvergabe nicht vor den U-Ausschuss. Der wurde zwar von den Grünen zuletzt in eine „unguided missile“ verwandelt, aber insgesamt hat er gute Aufklärungsarbeit geleistet. Dabei hatte Faymann noch vor Kurzem am Rande des Fotoausflugs mit seiner Koalitionspartnerin in spe, aber ohne gemeinsame Mehrheit, Eva Glawischnig, gemeint: Er stehe als Auskunftsperson immer zur Verfügung. Und: „Das gehört dazu, man muss Rede und Antwort stehen.“ Das klingt aus heutiger Sicht so höhnisch, dass davon auszugehen ist, dass er vom Einlenken der ÖVP gewusst haben muss. Warum die Volkspartei umgefallen ist, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Die Gefahr neuer Inseratenenthüllungen aus dem großen PR-Reich von „Lebensminister“ Nikolaus Berlakovich könnte geholfen haben – die ÖVP steht ohnehin schon seit Monaten am Pranger.

Interessanterweise passen jüngste Aussagen Spindeleggers nicht zu dieser koalitionären Deckung: Wenn Anklage gegen Faymann erhoben werde, müsse dieser gehen, posaunte der ÖVP-Chef. Fantasielos sowie inhaltsleer sei er, der Kanzler, so sein Vizekanzler sinngemäß. Ersteres wird vermutlich nicht passieren, der andere Vorwurf ist Faymann egal, das weiß er ja.  Vielleicht war es nur die Frustration Spindeleggers: Er weiß, dass Faymann als Kanzler moralisch nun kaum tragbar ist. Aber Spindelegger weiß auch, dass Faymann im Gegensatz zu ihm, dem ÖVP-Chef, aller Voraussicht nach wieder Kanzler werden wird.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2012)

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