Schienenkartell soll Absprachen im Bordell gefeiert haben

BERLINER NACHTKLUB 'BEL AMI'
BERLINER NACHTKLUB 'BEL AMI'APA/Britta Pedersen
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Neue Vorwürfe gegen die Voest in Deutschland: Nach den illegalen Preisabsprachen sollen die "Schienenfreunde" ins Bordell gegangen sein. Die verschleierten Rechnungen wurden bereits zurückgezahlt.

Neues Ungemach im Dunstkreis des Schienenkartellverfahrens gegen den österreichischen Stahlkonzern Voest in Deutschland: Die sogenannten "Schienenfreunde" - darunter auch die Voest-Tochter - sollen auch "Rotlicht-Freunde" gewesen sein, berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf Beteiligte. Zuvor getätigte illegale Preisabsprachen wurden demnach im Bordell gefeiert. Entsprechende Rechnungen liegen vor. "Aus unserer Sicht ergibt sich kein Hinweis, dass diese schwerwiegenden Verfehlungen eines ehemaligen Geschäftsführers und das Kartell zusammenhängen", sagte voestalpine-Sprecher Peter Felsbach am Dienstag zur APA.

Dem Zeitungsbericht zufolge sollen aber nicht nur Kartellmitglieder, sondern auch wichtige Kunden - etwa Mitarbeiter der Deutschen Bahn aus dem Bereich Logistik und Einkauf - zur Feier ihrer Geschäfte ins Berliner Bordell "Bel Ami", die sogenannte "Nebenstelle", eingeladen worden sein. Die Rechnungen dafürn zahlte die voestalpine. Vorerst dokumentiert sind 35 Besuche in der Zeit vom April 2005 bis Mai 2009 mit Ausgaben über 71.276,24 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Dem Handelsblatt sind die Namen von 28 Teilnehmern bekannt, die mindestens ein Mal an derartigen Treffen teilgenommen haben sollen.

Einem Insider zufolge, der selbst bei mehreren Besuchen im Bel Ami dabei war, sollen diese Abende der Kitt für den Zusammenhalt des illegalen Schienenkartells gewesen sein, schreibt die Zeitung. Die Truppe habe auch "Die Eule" im deutschen Ratingen und den Oberhausener "Swingertreff" besucht. Zuvor hätten sie beim Abendessen Preise und Mengen abgesprochen.

voestalpine bestreitet Zusammenhang

Die voestalpine bestreitet, dass es einen Zusammenhang zwischen den Bordellbesuchen und dem Kartell gegeben habe. Thyssen-Krupp und die Deutsche Bahn erklärten dem "Handelsblatt" zufolge, sie wüssten nichts von derlei Ausflügen. Die Sprecher aller drei Unternehmen betonten, dass Nachtclub-Besuche gegen die "Compliance"-Richtlinien des Unternehmens verstießen.

Der involvierte Ex-Mitarbeiter der voestalpine - damals Geschäftsführer der deutschen Tochter Voestalpine Kloeckner Bahntechnik (VAKB) - führte bei den von ihm eingereichten Bordellrechnungen als Zahlungsempfänger eine Gastronomiebetriebs GmbH an, hinter der sich das Bel Ami verbarg. Die Führungskraft sei bereits 2010 fristlos entlassen worden, heißt es beim Mutterkonzern - ein Jahr bevor das deutsche Bundeskartellamt und die Staatsanwaltschaft in Bochum das Kartellverfahren gegen die namhaften Schienenhersteller aus Deutschland und Österreich eingeleitet haben.

"Sobald wir Hinweise auf die Machenschaften dieses Geschäftsführers hatten, haben wir darauf reagiert, den Sachverhalt geprüft und Konsequenzen gezogen", so Felsbach. Der ehemalige Mitarbeiter habe das verprasste Geld mittlerweile zurückbezahlen müssen. Laut "Handelsblatt" war der voestalpine-Manager internen Untersuchungen des Konzerns zufolge "Teil des Kartells".

Nur die Spitze des Eisbergs?

Das "Handelsblatt" schreibt aber weiters, dass die nächtlichen Ausflüge auf Firmenkosten keine Einzelfälle waren. Die aufgelisteten Bordellbesuche seien nur die Spitze des Eisbergs. Neben dem Ex-Geschäftsführer sollen auch zwei weitere voestalpine-Mitarbeiter Nachtclub-Rechnungen an den Konzern weitergereicht haben. Zumindest behauptete dies der gefeuerte Chef der Voest-Tochter in einer Klage gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber beim Landgericht Duisburg. "Ich weiß, dass ich nicht der einzige Mitarbeiter der voestalpine war, der Geschäftskunden bewirtet hat", sagte er zum "Handelsblatt".

Allerdings dementiert er einen direkten Zusammenhang zwischen den umtriebigen Ausflügen ins Nachtleben und dem Schienenkartell: "Mir ist nicht bekannt, dass bei den Bewirtungen, die auf den infrage stehenden Bewirtungsbelegen genannt sind, Preisabsprachen stattgefunden haben."

"Verfehlungen weiterer Mitarbeiter können wir nicht bestätigen - das prüfen wir noch und es entspräche klarerweise nicht den bestehenden Konzernrichtlinien. So etwas wird von uns in keinster Weise toleriert und ist auch keine gängige Praxis in unserem Unternehmen ", betonte Felsbach im Gespräch mit der APA.

Absprachen zwischen 2001 und 2011

Die illegalen Preisabsprachen unter den Kartellmitgliedern wurden nach Angaben der deutschen Wettbewerbsbehörde von 2001 bis 2008 und zum Teil sogar bis 2011 praktiziert. Geschädigt wurde dadurch vor allem die Deutsche Bahn, die jahrelang zu hohe Preise für ihre Schienen zahlte. Der Schaden infolge der jahrelangen Praxis soll sich inoffiziellen Schätzungen zufolge auf mehr als 500 Millionen Euro belaufen.

Im Juli verhängte das deutsche Bundeskartellamt bereits Bußgelder in Höhe von insgesamt 124,5 Mio. Euro gegen vier Stahlfirmen - ThyssenKrupp Gleistechnik, die seit 2010 zum Vossloh-Konzern gehörende Firma Stahlberg Roensch, die voestalpine-Töchter TSTG Schienen-Technik und die voestalpine BWG. Drei weitere Firmen waren an dem Kartell beteiligt - bei zwei davon sind die Vorwürfe verjährt, eine ist mittlerweile insolvent. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die voestalpine strebt Kronzeugenstatus an. Wie berichtet zog der Stahlriese auch bereits personelle Konsequenzen bei sechs leitenden Mitarbeitern: Bei drei der in das Schienenkartell involvierten Manager wurde das Dienstverhältnis gelöst, drei weitere wurden ihrer Funktion enthoben.

(APA)

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