Holland-Wahl: Triumph für proeuropäische Parteien

HollandWahl Triumph fuer proeuropaeische
HollandWahl Triumph fuer proeuropaeische(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Die Rechtsliberalen gewannen die Parlamentswahlen knapp vor den Sozialdemokraten. Der Verlierer der Wahl ist der Rechtspopulist und EU-Gegner Geert Wilders. Sparmeister Mark Rutte bleibt Ministerpräsident.

Den Haag. Die Parlamentswahl in den Niederlanden endete mit einer Überraschung: Die Partei für Freiheit und Demokratie VVD des Rechtsliberalen Mark Rutte erreichte laut dem vorläufigen Endergebnis von Donnerstag früh 41 der insgesamt 150 Parlamentssitze. Der Sparmeister bleibt damit Ministerpräsident der Niederlande. Seine Knapp dahinter liegt mit 39 Mandaten die sozialdemokratische Arbeiterpartei (PvdA) die vom Rutte-Herausforderer Diederik Samsom angeführt wird. 

Die Überraschung liegt darin, dass die Demoskopen keine der beiden Parteien, weder der VVD noch der PvdA, mehr als 35 Sitze in den Prognosen zugerechnet hatten und dass mit diesem Ergebnis in den Niederlanden wieder eine stabile Regierung gebildet werden kann, falls sich VVD und PvdA zu einer Koalition zusammenfinden sollten - was nun unausweichlich scheint. Sollte sich an dem Ergebnis nichts mehr ändern, dann könnten VVD und PvdA zusammen eine neue sozialliberale Regierung in den Niederlanden bilden. Sie hätte zusammen 80 der insgesamt 150 Parlamentsmandate und damit die absolute Mehrheit im neugewählten Haager Parlament. VVD und PvdA hätten keinen dritten Koalitionspartner mehr nötig.

"Enorme Verluste" für Euroskeptiker

Überraschend hohe Verluste von neun Sitzen verbuchte die rechtspopulistische Freiheitspartei des Islam- und EU-Kritikers Geert Wilders, der im Wahlkampf den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union und dem Euro gefordert hatte. Die Partei sackte von 24 auf 15 Sitze ab. Wilders sprach von einem "enormen Verlust". Auch die ebenfalls europakritischen Sozialisten von Emile Roemer (SP), in den Umfragen noch im August Favorit, stagnieren mit 15 Mandaten. Im August hatten die Demoskopen die SP noch auf 40 Mandate eingestuft. Die Senioren-Partei, die erstmals antrat, erhält aus dem Stand heraus drei Abgeordnete im neuen Haager Parlament.

Eine historische Niederlage erlitten die Christdemokraten, bisher Partner in der Minderheitskoalition. Sie erhielten nun 13 Mandate, acht weniger als bei den Wahlen 2010. Die linksliberale Partei D66 gewann zwei Sitze hinzu und kam auf 12. Die Grünen verloren sieben ihrer bisher zehn Mandate.

Mammutaufgabe steht bevor

Die neue niederländische Regierung steht vor großen Herausforderungen. Sie liegen in der Europapolitik, der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Gesundheits- und Erziehungs- und Forschungspolitik und insbesondere in der Reform des Wohnungs- und Immobilienmarkts. Was die Europapolitik betrifft, stehen zwei Parteien klar im Abseits. Dies sind die von Geert Wilders geführte Freiheitspartei PVV. Die PVV wollte die EU und die Eurozone verlassen. Aber auch die Sozialisten (SP), die von Emile Roemer angeführt werden, wollten nicht mehr, sondern weniger Europa. Außerdem: Die SP wollte sich nicht länger an den Stabilitäts- und Wachstumspakt halten.



Alle anderen Parteien haben zwar unterschiedliche europapolitische Vorstellungen, stellen aber weder EU- noch Euro-Mitgliedschaft noch Stabilitätspakt in Frage.
Die größten innenpolitischen Herausforderungen eines neuen Haager Kabinetts liegen aber zweifellos in der Wirtschaft- und Finanzpolitik. Die anhaltende Schulden- und Wirtschaftskrise hat auch Holland voll erfasst. Zwar krabbelt das Land langsam aus der Rezession, da die Wirtschaft im zurückliegenen Quartal wieder mit 0,6 Prozent wuchs, nachdem sie in den beiden Quartalen davor geschrumpft war. Aber die Arbeitslosigkeit ist inzwischen von 4,0 Prozent auf jetzt 6,5 Prozent der Berufsbevölkerung gestiegen. Hier besteht Handlungsbedarf. Der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden.

Neue Sparmaßnahmen nötig

Hohen Handlungsbedarf gibt es auch in der Finanzpolitik. Hier muss das staatliche Finanzierungsdefizit im Haushalt von derzeit 4,5 Prozent des BIP wieder unter die Maastricht-Norm von 3,0 Prozent gedrückt werden. Dafür sind neue und umfangreiche Sparmaßnahmen nötig, um die sich das künftige Kabinett nicht herumdrücken kann. Es müssen schätzungsweise 13 bis 16 Milliarden Euro in der kommenden Legislaturperiode zusätzlich eingespart werden.

Harte Eingriffe der nächsten Regierung sind auch im Gesundheitssektor nötig. Denn hier drohen die Kosten völlig aus dem Ruder zu laufen. Derzeit verschlingt die Gesundheitsfürsorge in den Niederlanden bereits elf Prozent der Wirtschaftsleistung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2012)

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