Ohne markant höhere Ausgaben für die Wissenschaft und das Bildungswesen wird Österreich seine Zukunftsfähigkeit verspielen.
Die Medienberichte der vergangenen Wochen haben wieder gezeigt, wie schleppend und oft auch wenig sachorientiert die bildungspolitische Diskussion in Österreich verläuft. So ist es erstaunlich, wie viel Aufmerksamkeit dem kleinen Detail der heuer verkürzten Inskriptionsfristen für Studienanfänger zukam. Dabei sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Anmeldung zu einem Studium vor Beginn des Studienjahres zu erfolgen hat.
Unerwähnt ist dagegen geblieben, dass eine Bewerbung an Fachhochschulen in der Regel noch früher, nämlich schon vor dem Sommer, zu erfolgen hat. „Bewerbung“ und nicht „Anmeldung“ – denn während Universitäten, die im Bildungssektor ganz oben stehen (sollten), ihre Studierenden grundsätzlich nicht auswählen dürfen, ist das an Fachhochschulen gängige Praxis. Auch die Existenz von Studienbeiträgen wird dort akzeptiert, während über deren Einhebung an Universitäten nun schon jahrelang gestritten wird.
Die heimischen Universitäten sind wie ein Theater, für dessen Vorstellungsbesuch kein Eintritt zu bezahlen ist, ja nicht einmal Platzkarten vergeben werden. Die Folge ist, dass in einem heillos überfüllten Saal niemand eine gute Vorstellung sehen kann – für sich gesehen ein gerechter Zustand.
Numerus-clausus-Flüchtlinge
Zweifellos vernünftiger wäre es aber, den Zutritt nach Maßgabe der vorhandenen Plätze zu regeln. Wer mehr Theaterbesucher möchte, weil das volkswirtschaftlich und gesellschaftspolitisch vorteilhaft ist, der wird die erforderlichen Mittel investieren müssen, um mehr Vorstellungen spielen zu können.
Zwar dürfen Studienbeiträge nicht primär als Finanzierungsquelle für die Universitäten gesehen werden. Sie können aber ein soziales Korrektiv sein und zugleich sicherstellen, dass ausländische Studierende einen Beitrag leisten.
Eine internationale Zusammensetzung der Studierenden an den heimischen Universitäten ist zwar wünschenswert. Die Aufnahme deutscher Numerus-clausus-Flüchtlinge führt aber noch nicht zu einer internationalen Zusammensetzung.
Wer gegen Studienbeiträge auftritt, müsste sich konsequenterweise auch für die Übernahme der Kosten einer Meisterprüfung (7000 Euro und mehr) oder von Wifi-Kursen durch die öffentliche Hand aussprechen. Die davon in der Regel betroffenen Nichtakademiker haben aber offensichtlich keine politische Lobby hinter sich.
In der Universitätspolitik herrscht derzeit die Devise: Keine Studienbeiträge, aber für die meisten auch keine oder nur wenig finanzielle Unterstützung. Das führt zwangsläufig dazu, dass jungen Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten der Zugang zum Studium erschwert wird. Über 60 Prozent der Studierenden sind nicht zuletzt deshalb berufstätig. Berufserfahrung ist zwar sinnvoll, sie sollte aber nicht zum bestimmenden Teil des Studiums werden.
Die tägliche Erfahrung zeigt aber, dass viele Studierende ihr Studium aus diesem Grund wesentlich in die Länge ziehen oder abbrechen. Das ist weder aus individueller, noch aus universitärer und volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Junge Menschen, die die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, sollten sich voll auf das Studium konzentrieren können!
Wer zügig studiert...
Es bedarf daher eines Stipendiensystems, das allen Studierenden eine weitestgehende Fokussierung auf das Studium ermöglicht. Dabei geht es aus meiner Sicht nicht nur um eine Verbreiterung der anspruchsberechtigten Gruppe, sondern auch um eine betragliche Erhöhung. Das Stipendium sollte zum einen vom Einkommen der Eltern und der Notwendigkeit einer Unterkunft am Studienort, zum anderen von einem entsprechenden Studienfortschritt abhängig gemacht werden.
Wer zügig studiert, sollte im Gegenzug auch finanziell unbeschwert studieren können. Das Stipendiensystem muss dennoch möglichst einfach gehalten werden. Eine Aufteilung in eine laufende Beihilfe und ein „Startgeld“, wie von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller vorgeschlagen, bringt keinen Vorteil.
Gebührenbefreiung im Sozialjahr?
Durch die Verbindung von Stipendiensystem und Studienbeiträgen könnte nicht nur ein sozial faires System geschaffen werden. Zugleich könnte auch sichergestellt werden, dass Studierende im Erststudium (bis zum Masterabschluss) unterstützt werden, während all jene, die ein Zweit- oder Drittstudium betreiben oder die ihr Studium mehrmals wechseln, automatisch einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Bildungssystems leisten.
Eine Gebührenbefreiung bei Ableistung eines Sozialjahres, wie ebenfalls kürzlich vorgeschlagen, wäre dagegen problematisch, weil Studierende aus einkommensschwächeren Familien dadurch eher dazu gedrängt würden.
Halbe Lösungen haben Tradition
Angesichts der global schwierigen Wirtschaftslage ist auch die budgetäre Situation an vielen internationalen Universitäten angespannt. Während andernorts aber versucht wird, bestmöglich damit umzugehen, haben bei uns halbe Lösungen eine große Tradition.
Dabei sind die heimischen Universitäten meines Erachtens (noch) nicht so weit abgeschlagen, wie aus internationalen Rankings abgeleitet wird. Auch an amerikanischen Topuniversitäten kommt es zumindest vereinzelt vor, dass Hörsäle in Undergraduate-Kursen überfüllt sind.
Da es eine Spendenkultur wie in den USA, wo „jeder Ziegelstein“ einer Universität den Namen eines Donors trägt, in Österreich nicht gibt, wird der Staat weiterhin die tragende Rolle in der Hochschulfinanzierung spielen müssen. Da hilft auch der von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle angekündigte Bonus für die Einwerbung privater Mittel nichts.
Die nur geringe Spendenbereitschaft dürfte auch nicht primär eine Frage der oft angesprochenen steuerlichen Rahmenbedingungen sein, denn diese sind gar nicht so unterschiedlich. Vielleicht ist dafür eine in Österreich weniger starke Verbundenheit der Absolventen zu ihrer Universität verantwortlich, vielleicht wird auch der Wert einer Spende an Universitäten nicht gesehen und sicher wird bei uns ein öffentliches Zur-Schau-Stellen von Wohlstand eher vermieden.
Noch ist es nicht zu spät
Wer sich aber vor Augen hält, über welche Milliardenbudgets internationale Topuniversitäten verfügen und wer den – wenn auch aktuell gedämpften – Aufschwung vieler Schwellenländer beobachtet, der kann nur zum Ergebnis kommen, dass Österreich höhere Ausgaben für Wissenschaft und Bildung braucht.
Nach meiner Überzeugung ist es noch nicht zu spät, Österreich zukunftsfähig zu gestalten. Die Politik ist aber in vielen Bereichen auf dem besten Weg, das „Startkapital“ zu verspielen.
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Zum Autor
Hermann Peyerl,A.Prof. DDr., LL.M. (*1980 in Wien) ist Wirtschaftswissenschaftler und Steuerrechtler am Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Boku Wien. Er forschte zuletzt an der University of California in Berkeley, zuvor lehrte er unter anderem als Gastprofessor an der Thammasat University in Bangkok. [Privat]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2012)