Architekten kommen zu Wort

Architekten kommen Wort
Architekten kommen Wort(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Mit einem eigenen Fernsehformat will eine Gruppe von Studenten die Arbeit von Architekten verständlich machen. Denn der Beruf, sagen sie, werde oft missverstanden.

Eine Wand im Kopf war es, die der Architekturstudent Arian Lehner zunächst überwinden musste, um seinen Horizont zu erweitern. „Auf der Uni lernst du am Anfang sehr viel trockene Materie. Wir wollten aber gleich mit den Ideen von Stararchitekten anfangen“, sagt der junge Mann und setzt gleich zur nächsten Erklärung an: „Wir wollten die Philosophie dahinter verstehen.“ Das Wissen, wie man eine Wand baut, wie es zu Beginn des Architekturstudiums in Wien gelehrt wird, das war ihm einfach nicht genug.

Vor einem Jahr hat Arian Lehner daher gemeinsam mit Freunden das Architekturvermittlungsprojekt „Mies. Magazin“ gegründet. In circa halbstündigen Fernsehsendungen, die auf dem offenen Fernsehkanal Okto ausgestrahlt werden, befassen er und seine Kollegen sich mit dem Leben und Schaffen der österreichischen – hauptsächlich Wiener – Architekturszene. Da werden kurze Reportagen vom ersten Uni-Tag gedreht („Ich weiß nicht, was ich sonst studiert hätte“), die etwas schrulligen Studenten im Zeichensaal vorgestellt („Manchmal hör' ich Stimmen“) und bekannte Wiener Architekten zu ihrem Werdegang befragt. Das Bild, das sich so von der Szene ergibt, ist weitaus bunter, als viele vielleicht meinen mögen. Denn Architektur, das wissen die „Mies“-Gründer, klingt für viele noch nach grauen Betonwänden und Staub in der Nase.

Große Ideen und dichte Fenster. Daran seien auch Architekten selbst schuld. „Früher war das ein obergescheiter technischer Beruf, dabei bauen Architekten ja für Menschen“, sagt der 21-jährige Lehner, und die Begeisterung in seinem Blick ist nicht zu übersehen. Für ihn sind Architekten Weltverbesserer, deren Leistungen oft missverstanden werden. „Sie glauben an große Ideen, aber im Endeffekt beschweren sich die Leute, weil die Fenster nicht dicht sind.“

Als Beispiel nennt er große Bauprojekte, für die sich Architekten öffentlich von Politikern, Anrainern oder Geschäftsleuten kritisieren lassen müssen. Dabei gehe viel zu oft unter, worum es den Planern bei der Entwicklung eigentlich gegangen sei. Mit dem „Mies. Magazin“ und einer eigenen Homepage sollen Vorurteile abgebaut werden und Architekten einen Platz bekommen, an dem sie den Zugang zu ihrer Arbeit erklären können. Da wird Adolf Krischanitz zu vergangenen Zielen und Idealen befragt, und das Architekturbüro Querkraft darf über die richtige Lage von Chefbüros reden.

Nicht sehr oft sind in den Videos allerdings Frauen zu sehen, auch wenn die Frauenquote im Architekturstudium ständig steigt. „Aber in den Architekturbüros gibt es noch nicht viele“, sagt Paula Brücke, die auch in dem aus vier Personen bestehenden „Mies“-Kernteam die einzige Frau ist.

Verständnis für Architektur. Langfristig sollen nicht nur Insider, sondern auch die Allgemeinheit an die Branche herangeführt werden. Der Name „Mies“ geht natürlich auf Ludwig Mies van der Rohe zurück. Die „Mies“-Videos schneiden und filmen Lehner, Brücke und ihre Kollegen üblicherweise selbst.

Nicht immer bekommen die „Mies“-Gründer dabei Unterstützung von offizieller Seite. „Wir haben nicht das Gefühl, dass die Universität uns besonders unterstützt“, sagt etwa Lehner. Anders verhalte es sich mit der Fachschaft Architektur oder den befragten Architekten. Die Präsentationen neuer „Mies“-Folgen im Wiener Schikaneder seien oft richtig gut besucht, sagt Lehner. Derzeit befindet sich das Magazin noch in Sommerpause.

Aber nicht mehr lange. Denn mit Oktober werden bereits neuen Folgen präsentiert. Dabei wäre es fast nicht so weit gekommen. „Eigentlich wollten wir das Magazin nur ein Jahr lang machen“, sagt Lehner. Aufgrund des guten Response – immerhin wurden die Videos fast 4500-mal angeklickt – wird nun weitergemacht und werden neue Ideen umgesetzt.


Modelle und Zerstörungswut. Ende des Semesters veranstaltete „Mies“ daher ein Semesterabschlussfest, bei dem die Architekturmodelle, die die Studenten während des Jahres produziert haben, mit einem Traktor überfahren wurden. „Wir wollen einfach, dass sich Studenten nicht nur für Prüfungen treffen“, sagt Lehner. Als nächster Programmpunkt steht ein Architekturfest an: Das „Mies. Festival“ findet am 6. und 7. Oktober auf der Baustelle der künftigen Seestadt Aspern statt. Dort werden Architekten Vorträge zum Thema Stadt halten und Studenten als Zauberer auftreten, außerdem gibt es Bier und DJs.

„Also, Ideen für weitere Projekte hätten wir genug“, sagt Lehner. Vorerst bleibt offen, was nach dem Festival noch umgesetzt werden kann. Denn natürlich nimmt das Architekturstudium die meiste Zeit im Alltag der jungen Leute ein. Mit dem Studium übrigens ist Lehner auch zufrieden. Weitgehend: „Die Uni muss auch begreifen, was Architekten schon längst kapiert haben. Man muss zuerst schauen, was die Menschen wollen, bevor man ein Gebäude baut“, sagt er. Womit Arian Lehner meint: Anlass für die „Mies“-Gründung war nicht die Tatsache, dass er lernen musste, eine Mauer zu bauen, sondern dass er nicht wusste, wer eigentlich dahinter wohnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2012)

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