Papstvisite: "Ihr seid die Hoffnung des Libanon"

Papstvisite seid Hoffnung Libanon
Papstvisite seid Hoffnung Libanon(c) EPA (WAEL HAMZEH)
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Papst Benedikt XVI. rief junge Christen zum Ausharren im Nahen Osten auf. Angesichts der schwersten antiwestlichen Tumulte seit Jahrzehnten verlangte der Pontifex die Achtung der Religion.

Beirut. Eben noch scheinen seine Augen starr und müde, plötzlich wirken sie hellwach, die Augenlider blinzeln, Oberkörper und Kopf beugen sich nach vorn. Gespannt hört Benedikt XVI. der 28-jährigen Rania Abou Chacra zu. Alle Erschöpfung scheint verflogen, das anstrengende Protokoll vom Vormittag vergessen. Und mit einem Mal sind die zehntausend Jugendlichen im Halbrund der Plastikstuhlarena mucksmäuschenstill. „Wir leben in einem Ozean der Angst“, sagt die junge Frau im schwarzen Hosenanzug, die ausgewählt wurde, in ihrer aller Namen zum Papst zu sprechen. Arbeitslosigkeit, Korruption, Entmutigung, und nie enden wollende politische Krisen – so erleben die jungen Christen die Welt, in die sie hineingeboren wurden.

„Wir wollen in unserer Heimat bleiben“

„Wir fühlen uns ohnmächtig – und dennoch wollen wir bleiben in unserer Heimat, hier, wo unsere Wurzeln sind“, ruft die junge Frau hinein in den brausenden Beifall ihrer Altersgenossen. Normalerweise arbeitet Rania Abou Chacra in Beirut bei der Bank HSBC und berät Firmen bei Krediten und Geldgeschäften. In der Kirche ist sie seit Jahren in der Jugendarbeit aktiv. Und so haben sie und ihre sieben Mitstreiter die letzten acht Wochen tausende E-Mails Jugendlicher gesichtet mit Vorschlägen für die Rede an den Papst. Herausgekommen sind zwei Manuskriptseiten, sorgfältig eingelegt in eine schwarze Ledermappe, die es in sich haben. „Wir sehnen uns nach Frieden, einer besseren Zukunft und einem Leben ohne Kriegsangst“, heißt es in dem Text. Der Fundamentalismus mache sich immer mehr breit, „darum brauchen wir mehr denn je die aktive Präsenz der Kirche im Nahen Osten, einer Kirche, die uns begleitet auf unserem Weg durchs Leben“.

Stundenlanges Warten in der Sonne

Geradezu väterlich-zärtlich antwortet der 85-jährige Pontifex auf die Klagen der Jungen, die sich am Samstag im Abendlicht hoch auf dem Gipfel über Jounieh und Beirut auf dem Hof des maronitischen Patriarchats in Bkerke versammelt haben. „Ihr habt einen speziellen Platz in meinem Herzen“, sagt er in seiner Predigt. „Habt keine Angst. Die Kirche braucht euren Enthusiasmus und euren Mut. Ihr seid die Hoffnung und die Zukunft des Libanon.“ Selbst Arbeitslosigkeit und Armut sollten niemanden dazu bringen, „die bitteren Früchte der Emigration zu kosten, die Entwurzelung und Trennung von der Heimat, hergegeben für eine ungewisse Zukunft“.

Diese Worte kamen an. Stundenlang hatten die jungen Leute in strahlender Sonne auf den Gast aus Rom gewartet, sich in Stimmung gesungen und geklatscht. Und auch der alte Herr aus dem Vatikan ließ sich anstecken, obwohl fromme Popsongs bekanntlich nicht nach seinem Geschmack sind. Noch nie hat sich ein katholisches Oberhaupt in den letzten Jahrzehnten eine so brisante und schwierige Visite zugemutet.

Luftraum für zwei Stunden gesperrt

Vergangene Woche erlebte die arabische Welt die schwersten antiwestlichen Tumulte seit Jahrzehnten. Entsprechend beispiellos waren die Sicherheitsvorkehrungen in Beirut. Das ganze Volk wurde für drei Tage in Urlaub geschickt, der Luftraum über der Hauptstadt bei Ankunft der Papstmaschine für zwei Stunden komplett gesperrt. Nicht eine Sekunde habe er daran gedacht, den Besuch aus Sicherheitsgründen abzusagen, versicherte Benedikt.

Denn die Erwartungen der Christen sind geradezu übermenschlich. Auch aus Jordanien, dem Irak und Syrien sind sie nach Beirut gepilgert, um den Papst live beim Open-Air-Gottesdienst an der Waterfront zu erleben. Das Areal mit freiem Blick aufs Mittelmeer ist aufgeschüttet aus Trümmern des 15-jährigen libanesischen Bürgerkriegs. 300.000 Besucher scharten sich vor dem Altar, den eine stilisierte weiße Zeder überragte, Symbol des Libanon und des Friedens gleichermaßen.

Essam ist aus Aleppo gekommen, seinen Nachnamen sagt er nicht, in zwei Tagen will er wieder zurück. Mit seinem violetten T-Shirt und verspiegelter Sonnenbrille sieht man ihm nicht an, dass er einmal Priester werden will und seit drei Jahren Theologie studiert. „Die Unsicherheit unter den Christen wächst“, sagt der 24-Jährige, in dessen Heimatstadt seit acht Wochen erbittert gekämpft wird. Der melkitische Erzbischof wurde bereits von Bewaffneten angegriffen und seine Residenz verwüstet. „Viele Christen fragen sich, ob sie noch bleiben, oder besser fliehen sollen“, sagt Essam, der einen Platz ganz vorn am Papstpodium ergattert hat. Wie seine Bischöfe betrachtet auch er das Assad-Regime als das kleinere Übel, verglichen mit den neuen islamischen Gotteskriegern, die bei den Rebellen zunehmend den Ton angeben. „Leider ist das Dröhnen der Waffen weiterhin zu hören, wie auch das Schreien der Witwen und Waisen“, rief der Papst zum Höhepunkt der Freiluftmesse am Sonntag aus und appellierte an die internationale Gemeinschaft und die arabischen Länder, „gangbare Lösungen vorzuschlagen, die die Würde jedes Menschen, seine Rechte und seine Religion achten“.

Auf einen Blick

Am Sonntagabend ging der dreitägige Papstbesuch im Libanon zu Ende. Der Gottesdienst an Beiruts „Waterfront“ war der Höhepunkt der Reise des 85-jährigen Kirchenoberhauptes. Gestern legte er auch das Schlussdokument einer Bischofssynode zum Nahen Osten vor. Dies sei eine „Richtschnur“, um den Glauben und die Hoffnung in den christlichen Gemeinden zu stärken. Am Freitag hat Benedikt XVI. das Dokument in der Stadt Harissa unterzeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2012)

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