E10: Das Ende einer gut gemeinten Idee

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Die Einführung des Agrotreibstoffs E10 endete für Umweltminister Nikolaus Berlakovich in einem politischen Desaster. Dabei drehte sich die Stimmung schon vor Monaten gegen den Agrartreibstoff.

Wien. Am besten lässt es sich mit einem Autofahrer vergleichen, der auf eine Wand zufährt, aber immer mehr Gas gibt statt zu bremsen. Ähnlich agierte Umweltminister Nikolaus Berlakovich beim Agrotreibstoff E10: Seit Monaten war klar, dass eine Einführung in Österreich wegen des heftigen Widerstandes vom Koalitionspartner abwärts nicht möglich sein wird. Im Büro des Umweltministers nannte man aber noch am vergangenen Freitag den 1. Oktober als Starttermin – zu einem Zeitpunkt, als sogar schon die EU ihre verordnete Umweltinitiative infrage stellte.

Mit der Vollbremsung am Montag verhinderte Berlakovich zwar den totalen politischen Crash. Aber auch so ist es für den ÖVP-Minister noch peinlich genug, seine große umweltpolitische Initiative absagen zu müssen.
Dabei hätte der Minister schon – um beim Bild zu bleiben – früh und sanft auf die Bremse steigen können. Bereits im Oktober vergangenen Jahres berichtete „Die Presse“ von den innerkoalitionären Widerständen gegen E10 (also der Anhebung der Beimischung von Ethanol im Benzin von derzeit fünf auf zehn Prozent). Selbst Parteifreund Reinhold Mitterlehner (Wirtschaft) wandte sich gegen Berlakovichs Plan.

Frankreich senkte Prozentsatz

Die Euphorie über Ethanol, das noch vor einigen Jahren als Allheilmittel gegen Autoabgase und Ölabhängigkeit galt, ist mittlerweile verflogen. Einerseits, weil Studien die Umweltfreundlichkeit infrage stellten, andererseits, weil Getreide im Tank den Preis von Getreide auf dem Teller steigen ließ.

Frankreich, das als eines der ersten Länder Europas Ethanol in das Benzin mischen ließ, tat vergangene Woche kund, man werde den Anteil von Ethanol von zehn auf sieben Prozent senken. In Deutschland hat die Einführung von E10 zu einem Chaos und einer mittelschweren Koalitionskrise geführt. Und von der EU wurde ein Entwurf bekannt, wonach der Anteil von gefördertem Biosprit auf fünf Prozent gesenkt werden und die Förderung für Treibstoff aus Lebensmittelpflanzen bis 2020 gänzlich auslaufen soll.

Unumstritten ist, dass die Zumischung von Biosprit zu Treibstoffen das erste und bislang einzige wirksame Mittel ist, das im Verkehrssektor den CO2-Ausstoß gesenkt hat. Wie stark der CO2-Ausstoß durch Biosprit reduziert wird, hängt aber von der konkreten Situation ab: also welche Rohstoffe bei der Herstellung verarbeitet und wie intensiv die Felder gedüngt werden (überschüssiger Dünger verwandelt sich in das starke Treibhausgas Lachgas) oder der Energieversorgung der Produktionsanlage. Allgemeine Angaben sind daher kaum möglich.

Konkurrenz zu Teller und Trog

Dazu kommt die angespannte Situation der Getreideversorgung. Biotreibstoffe sind eine Konkurrenz zur Produktion von Futter- und Lebensmitteln (Biosprit bietet oft eine höhere Rendite). Der Getreideverbrauch steigt weltweit schneller als die Produktion. Unter anderem deshalb, weil immer mehr Menschen immer mehr Fleisch essen (für die Produktion von einem Kilo Rindfleisch benötigt man mehr als zehn Kilo Getreide). Wenn dann noch – wie derzeit – eine Dürre in den wichtigsten Produktionsgebieten dazukommt, wird die Knappheit sofort spürbar und die Preise steigen rasant.

Das führt dazu, dass in vielen Entwicklungsländern fruchtbarere Weiden mit speziellen „Energy-Crops“ bebaut und die Weideflächen in die Urwälder verlegt werden, die dafür gerodet werden. Es gibt keine anerkannte Methode, wie die Folgen dieser „indirekten Landnutzungsänderung“ bewertet werden können. Die Rohstoffe für die österreichische Bioethanolanlage kommen aus dem zentraleuropäischen Raum – einer Region, in der Getreideüberschuss herrscht. Für die Ethanolproduktion werden überwiegend Getreidesorten verwendet, die nicht für die Ernährung geeignet sind.

Für die meisten Autofahrer ist die Zusammensetzung des Treibstoffs aber ohnehin eine theoretische Diskussion, die Praxis erleben sie an der Zapfsäule: Eurosuper war noch nie so teuer wie am Dienstag (nicht inflationsbereinigt). Mit einem Durchschnittspreis von 1,534 Euro pro Liter wurde ein neues Rekordhoch erreicht.
? siehe auch Debatte Seite 26

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2012)

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