KV-Verhandlungen: "Retourkutsche der Arbeitgeber"

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Arbeitgeber und -nehmer werden sich bei den KV-Verhandlungen schlussendlich aber auch heuer "in der Mitte treffen", meint Politologe Ferdinand Karlhofer im Gespräch mit der "Presse".

Die Presse: Am Mittwoch startet die Lohnrunde der Metaller. Die wirtschaftlichen Aussichten sind schlecht, die Inflationserwartungen niedrig. Wie wird sich das auf die Verhandlungen auswirken?

Ferdinand Karlhofer: Die Fachverbände der Wirtschaftskammer haben selbst eine Untersuchung in Auftrag gegeben, nach der die Auftragslage zwar zurückgehen wird, aber von einer Krise in der Metallindustrie nicht die Rede sein kann. Auch dieses Argument werden die Arbeitnehmer aufgreifen. Die Gewerkschaft weiß, dass sie kaum mehr als die Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate, 2,8 Prozent, durchbringen kann. Und wenn sie das schafft, hat sie schon viel erreicht. Die Gewerkschaftsmitglieder erwarten, dass möglichst schnell ein Abschluss erzielt wird. Denn sonst bedeutet das ja, dass es für eine gewisse Zeit eine vertragslose Zeit geben wird. Das wäre allerdings keine einmalige Situation. 1998 konnte fast ein ganzes Jahr kein Abschluss erzielt werden. Aber letztendlich hat man sich doch geeinigt.

Die Metaller-Arbeitgeber wollen künftig die Kollektivverträge für die einzelnen Branchen getrennt verhandeln. Was, glauben Sie, wollen sie damit bezwecken?

Eine Vorgeschichte muss man mitbedenken, und zwar den hohen Abschluss im Vorjahr (die Löhne wurden um durchschnittlich 4,2 Prozent angehoben, Anm.). Da ist die Metallergewerkschaft sehr offensiv in die KV-Verhandlungen gegangen, hat mit Streik gedroht, die Situation war tatsächlich an der Kippe. Die Argumentation war, sie hätten in der Krise zurückgesteckt, die Kurzarbeit mitgetragen. Gleichzeitig war im Jahr davor die Produktivität stark gewachsen. Davon wollten sie eben ihren Anteil vom Kuchen haben. Die Fachverbände haben das akzeptiert.

Und Sie meinen, dieser Konflikt ist ein Grund, warum die Metaller-Arbeitgeber nicht mehr in einem Verband verhandeln wollen?

Was sich jetzt abspielt, ist mit dieser Vorgeschichte eine Art Retourkutsche. Die Arbeitgeberseite sagt nun, ein zweites 2011 wollen wir nicht mehr, und verspricht sich durch die Aufsplittung in sechs Verhandlungseinheiten eine stärkere Diversifizierung der Lohnabschlüsse. Das ist ein Motiv, das man nachvollziehen kann. Ob die Rechnung für die Arbeitgeber allerdings aufgeht, da wäre ich mir nicht so sicher. Der Aufwand in den Verhandlungen ist auf jeden Fall höher. Die Gewerkschaften werden konzertiert vorgehen. Sie übergeben zeitgleich ihre Forderungskataloge. Da müsste man sehr naiv sein zu glauben, dass die nicht abgeglichen sind. Und das unterscheidet sich dann gar nicht so sehr davon, wie es in den vergangenen 40 Jahren gewesen ist.

Auf den ersten Blick liegt es aber doch nahe, dass die Aufspaltung die Macht der Gewerkschaft schwächt.

Wenn es den Arbeitgebern gelingt, die neue Situation zu ihrem Vorteil zu nützen, ist natürlich der Weg frei für kommende Verhandlungen in den nächsten Jahren. Es steht für die Gewerkschaft Spitz auf Knopf, ob sie es schafft, in diesem sehr schwierigen Prozess die Geschlossenheit zu wahren oder ob sich die Arbeitgeberseite durchsetzt und das zur Regel macht. Möglicherweise stellen die stärkeren Segmente in der Metallindustrie sehr schnell Kampfmaßnahmen in den Raum.

Wann hat die Gewerkschaft „gewonnen“?

Wenn sie einerseits die Vorgaben der Arbeitgeber akzeptiert, also sechs Delegationen in den Ring steigen lässt, per Saldo aber am Ende in etwa gleiche Lohnabschlüsse erzielt. Das würde bedeuten, dass die Gewerkschaft mitspielt, aber am Ende ein ähnliches Ergebnis für alle erzielt.

Die Gewerkschaft fordert ja einen einheitlichen Kollektivvertrag für alle Sparten. Ist das realistisch?

Es ist ja noch nie so gewesen, dass ein für alle gleich geltender Kollektivvertrag abgeschlossen wurde. Es wurde immer auf die Wirtschaftslage der einzelnen Fachverbände und auch der einzelnen Unternehmen Rücksicht genommen. Es sieht danach aus, als wollte der Arbeitgeberverband einen hohen Abschluss wie 2011 verhindern, den er dann vor den Mitgliedern argumentieren muss. Da gab es im Vorjahr einigen Unmut.

Die Gewerkschaft sprach nach der Aufspaltung von einem „Bruch der Sozialpartnerschaft“. Sehen Sie das auch so?

Die Sozialpartnerschaft ist damit noch nicht aufgekündigt, da würde es schon mehr an Zerwürfnissen brauchen. Es finden ja immerhin KV-Verhandlungen statt und keine Seite verweigert sich. Es ist eine Konfliktlage, die schon wiederholt da war, wie auch im Jahr 2011. Man wird sich auch diesmal in der Mitte treffen. Wenn der KV-Abschluss unter Dach und Fach ist, kann man sich einigermaßen sicher sein, dass dann von einer Krise der Sozialpartnerschaft allenfalls noch am Rande die Rede sein wird. Jeder KV-Verhandlungsprozess ist eine Zuspitzung von Positionen. Dass es da nicht von Beginn an friedlich zugehen kann, ist klar.

Der Lohnabschluss der Metaller gilt als Richtwert für die Verhandlungen in den anderen Branchen. Könnte diese traditionelle Vorreiterrolle durch den Konflikt geschmälert werden?

In den Köpfen ist verankert, dass die Metallergewerkschaft die Tariflokomotive für das gesamte System ist. Aber das ist auch schon anders gelaufen. Die Beamten zum Beispiel sind schon lange ausgeschert. Aber eines steht fest: So lange die Metaller verhandeln, kommt kaum Bewegung bei den anderen Branchen zustande. Der Gewerkschaftsbund hat also großes Interesse, dass die Verhandlungen möglichst rasch abgeschlossen werden.

Zur Person

Ferdinand Karlhofer leitet seit 2004 das Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Gewerkschaften und Sozialpartnerschaft. [privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2012)

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