Die finanzielle Zukunft ist schon fix „verbraten“

(c) FABRY Clemens
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Die fixen Vorbelastungen für künftige Budgets summieren sich laut Rechnungshof schon auf 156 Milliarden Euro. Wenn da nicht gebremst wird, ist der „griechische Weg“ in die Pleite schon vorgezeichnet.

Wir haben hier in Europa eine Staatsschuldenkrise, aber die betrifft Gott sei Dank nur Südeuropa und Irland. Wir sind von Staatsbankrott-Gefahr weiter entfernt als Athen von Wien. Richtig?

Wer das glaubt, dem empfiehlt sich die Lektüre des seit gestern vorliegenden Bundesrechnungsabschlusses 2011 des Rechnungshofs (abrufbar unter www.rechnungshof.gv.at). Als probate Medizin gegen Optimismus im fortgeschrittenen Stadium hilft vor allem das Kapitel „Finanzielle Auswirkungen auf künftige Finanzjahre“ (ab Seite 231 in der Langfassung). Dort sind jene Verpflichtungen des Bundes aufgelistet, die zwar fix zugesagt, für deren Bedeckung aber noch nicht einmal die Kredite aufgenommen sind.

Anders gesagt, das ist jener Betrag, um den die Staatsschulden in den kommenden Jahren selbst dann steigen werden, wenn der Bund ansonsten das Wunder eines ausgeglichenen Budgets zustande bringt. Eine Art Mindestschuldensteigerung sozusagen.

Diese Position ist 2011, bitte anschnallen, von 105,9 auf 156 Mrd. Euro angestiegen. Ein Plus von 47,4 Prozent in einem Jahr. Fesch!

Überwiegend deshalb, weil die Position „Eisenbahn-Infrastruktur“ innerhalb eines Jahres von von 2,6 auf 43,4 (!) Mrd. Euro hochgeschnalzt ist. Der Rechnungshof schreibt hier in die Spalte „prozentuelle Steigerung“ verschämt „k. A.“. Da ist wohl der Taschenrechner durchgebrannt. Wir helfen nach: Es sind knapp über 1500 Prozent.

So viel in einem Jahr zu verbraten schafft freilich nicht einmal das Verkehrsministerium. Des Rätsels Lösung lautet: Der Rechnungshof hat endlich durchgesetzt, dass das Ministerium wenigstens den größeren Teil der geplanten Bahn-Ausgaben samt voraussichtlichen Tilgungen und Zinsen in die Liste der „Vorbelastungen“ aufnimmt. Es ist ohnehin noch nicht alles, denn Investitionen, die nach 2018 geplant sind, kommen hier noch nicht vor und die Vorschau geht davon aus, dass die Bahn 30 Prozent der Investitionen selbst tragen kann. Dazu viel Glück!

Aber es bringt ein bisschen mehr Ehrlichkeit in die Staatsschuldendebatte. Und zeigt, wohin die Reise geht. Vor allem aber, dass die Budgetrechnung nach Maastricht, die Österreich eine Staatsschuldenquote von 72,6 Prozent des BIPs bescheinigt, viel zu freundlich angelegt ist.

Laut Bundesrechnungsabschluss hatte der Bund allein Ende 2011 Schulden in Höhe von 221 Mrd. Euro. Also annähernd so viel, wie die Maastricht-Rechnung für den Gesamtstaat (inkl. Länder und Gemeinden) ausweist. Dazu kommen noch außerbudgetäre Schulden von ungefähr 30 Mrd. Euro bei ÖBB und Asfinag.

Diese 220 Mrd. Euro werden sich durch die erwähnten „Vorbelastungen“ in den kommenden Jahren um 156 Mrd. Euro erhöhen. Da dürfen aber nicht allzu viele Haftungen schlagend werden, denn die summieren sich beim Bund zusätzlich auf 122 Mrd. Euro.

Zur Erinnerung: Das Bruttoinlandsprodukt Österreichs liegt jetzt irgendwo bei 300 Mrd. Euro. 220 Mrd. Euro Schulden und 156 Mrd. Euro fixe Vorbelastungen ergeben ein Schuldenpotenzial von weit über 100 Prozent des derzeitigen BIPs. Da reden wir noch gar nicht von Haftungen oder von den ebenfalls im hohen Milliardenbereich liegenden Vorbelastungen für künftige Pensionen, die ja immer noch unter den Tisch fallen.

Anders gesagt: Um die Schuldenquote in den kommenden Jahren stabil zu halten, müsste das BIP schon recht ordentlich wachsen. Jedenfalls mehr, als aus heutiger Sicht realistisch erscheint.

Wenn wir da nicht den griechischen Weg in die Pleite einschlagen wollen, werden in den kommenden Jahren also ein paar beherzte Bremsmanöver notwendig sein. Dass der Staatshaushalt mit ein paar „Gerechtigkeitssteuern“ sanierbar ist, kann angesichts der vom Rechnungshof genannten Zahlen außerhalb von ein paar politischen Träumerzirkeln wohl niemand ernsthaft glauben.

Vielleicht kann da der Rechnungshof noch ein bisschen stärker nachhelfen. Denn am Beginn der Sanierung steht ja erst einmal eine ehrliche Bestandsaufnahme, und da ist den Prüfern (siehe Hereinnahme der ÖBB-Verpflichtungen) ja schon einiges, wenn auch noch nicht genug, gelungen.

Doch das ist wohl ein Wunsch ans Christkind. Wenn man sieht, wie Bundesländer wie etwa Niederösterreich oder Kärnten mit unangenehmen Rechnungshofergebnissen und mit ihren Landesrechnungshöfen umgehen, dann müsste man wohl erst die schrille Form des österreichischen Föderalismus zerschlagen, bevor man an die Staatssanierung gehen kann.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2012)

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