Das Rote Kreuz: Die ÖBB mit Blaulicht

(c) ORF (Hans Leitner)
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Dutzende kommerzielle Retter drängen auf den lukrativen Markt der Krankentransporte in den Ballungszentren. Eine Zulassung zum Krankentransport ist verhältnismäßig einfach zu bekommen.

Wien. Die Konkurrenz ist groß in Wien. Neben der städtischen Wiener Rettung rittern etwa 20 Rettungsdienste um Einsatzfahrten. Neben den sieben zugelassenen Organisationen Rotes Kreuz, Samariterbund, Johanniter, Malteser, Grünes Kreuz, SMD und SanTrans drängt sich noch ein knappes Dutzend Behindertentransporte um den lukrativen Kuchen im Rettungswesen. Eine Zulassung zum Krankentransport ist verhältnismäßig einfach zu bekommen. Es genügt, einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs und den bürokratischen Dschungel zu absolvieren.

Krankentransporte sind das tägliche Brot der Rettungsorganisationen. Es handelt sich schließlich nicht um Notfälle, sondern um Routine. Überstellungen von einem Spital ins andere, Heimtransporte. Dieses tägliche Brot sicherte den etablierten Rettern, etwa dem Roten Kreuz und dem Arbeiter-Samariterbund, bis vor wenigen Jahren so viele Einnahmen, dass sie damit auch die aufwendigen Akuteinsätze halbwegs finanzieren konnten. Doch die Rechnung geht schon lange nicht mehr auf. Rotkreuz-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik vergleicht seine Hilfsorgansation mit der ÖBB oder der Post. „Auf der einen Seite sollen wir die Versorgungssicherheit aufrechterhalten, auf der anderen Seite findet eine Verkommerzialisierung statt." Auf der Strecke bleibe ein mehr als hundert Jahre altes System mit mehr als 56.000 freiwilligen Helfern. Seit vergangenem Jahr steckt das Rote Kreuz in Österreich komplett in der Zwickmühle. Denn nicht nur die Konkurrenz auf dem freien Rettungsmarkt setzt ihm zu. Gleichzeitig drängen Länder und Kommunen auf mehr Kostenwahrheit und Transparenz. Das Land Tirol hat 2009 das Rettungswesen EU-weit ausgeschrieben. Mittlerweile hat dieses Modell einen Nachahmer gefunden. Auch die Stadt Wiener Neustadt hält ein Bieterverfahren ab.

Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Oligopol im heimischen Rettungswesen durchbrochen wird. Bis internationale Konzerne wie die dänische Falck-Gruppe auch in Österreich Rettungseinsätze fahren werden. In Tirol hat der Multi gegen die Vergabe an den vom Roten Kreuz dominierten „Tiroler Rettungsdient" berufen. Konkret ficht das Unternehmen Nachbesserungen vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol an. Im schlimmsten Fall droht eine Neuausschreibung. Zum aktuellen Verfahren will die Falck-Gruppe nicht Stellung nehmen.

Effektivität und Kostentransparenz

„Europäische Ausschreibungen von Leistungen des Rettungsdienstes sind trotz des dafür notwendigen Aufwands sehr effiziente Methoden zur Herstellung von Kostentransparenz", sagt Thomas Krafft, Gesundheitsökonom an der Universität Maastricht. „Es geht nicht nur um Effizienz, sondern um Effektivität", argumentiert Rotkreuz-Mann Foitik. „Im Katastrophenfall geht es darum: Wie viele ausgebildete Menschen kann ich alarmieren, damit sie an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit Hilfe leisten?"

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