Der (Vize-)Kanzler, der sich nicht traut

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Die Hoffnung von SPÖ und ÖVP, die Veröffentlichung von Skandalen und das Sichtbarmachen politischer Verantwortung dafür verhindern zu können, ist lächerlich.

Acht Verhandlungstage. Mehr nicht. Mehr bewirkte der Protest gegen ein Abwürgen des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von gut einem halben Dutzend schwerer Korruptionsfälle nicht. Der Aufstand war zwar spontan und kurz heftig, aber leider nicht übertrieben wirkungsvoll. Eine sehr ungewohnte Koalition aus Qualitätszeitungen, Opposition, namhaften Künstlern und Autoren wollte den Durchgriff nicht hinnehmen und formulierte verbalen Widerstand auf Papier und im Netz. Werner Faymann, seine Partei und ihr Koalitionspartner reagierten, wie man es von Zeitgenossen erwarten kann, die glauben, man könne ein Land mit zwei, drei befreundeten Medien regieren: vorerst perplex und genervt. Dann ignorant und arrogant. Der U-Ausschuss müsse verschwinden, das sei nur ein Tribunal und Schauprozess. Vor allem aber werde sich der amtierende SPÖ-Chef nicht ein Jahr vor der Nationalratswahl von kleinen Mandataren verhören lassen. Auch das konnte das Aufbegehren in Zeitungen, via Twitter und vor dem Parlament nicht erzwingen.

Aber vielleicht macht das überhaupt nichts. Denn Werner Faymann ist und bleibt der Kanzler und SPÖ-Spitzenkandidat, der vor Peter Pilz, Stefan Petzner und Freunden schon vorab in die Knie gegangen ist. Zeigten sich Franz Vranitzky als Kanzler und Wilhelm Molterer als Vize vor dem Ausschuss, verweigerte Faymann, sich den Vorwürfen wegen der unsauberen und höchst fragwürdigen Inseratenaffäre von staatlich finanzierten Unternehmen zu stellen. Auch Deutschlands Joschka Fischer nahm den mühseligen Gang zu dem politischen Untersuchungsorgan auf sich. Nur Werner Faymann traut sich nicht.

Interessanterweise unterstützt ihn dabei ausgerechnet der ÖVP-Klub. Dass dieser der SPÖ ängstlich folgt, war klar. Dabei ist die Abneigung gegenüber den Sozialdemokraten in der parlamentarischen Truppe von Karlheinz Kopf etwa im Vergleich zur koalitionären Stimmung in manchen ÖVP-geführten Ministerien oder Ländern besonders ausgeprägt. Zudem spürt man im Klub ausgeprägte Revanche- beziehungsweise Rachegefühle: Nachdem harmlos geltende ÖAAB-Funktionäre vor dem Sommer plötzlich als indirekte Empfänger von Telekom-Zahlungen enthüllt wurden, wollen viele in der Partei den SPÖ-Chef für seine intensive „Krone“-Unterstützung schwitzen sehen. Und in jedem zweiten Interview attackieren ÖVP-Sekretäre und Klubmänner, als gäbe es keine Koalition.

Warum entdeckte die ÖVP also plötzlich die Koalitionsräson? Aus Vernunft? Nein, ganz sicher nicht. Die ÖVP fürchtet wie der Kanzler selbst neue Enthüllungen. Daher stellte die Partei bei der U-Ausschuss-Kastration nur eine zentrale Bedingung: Die von der Staatsanwaltschaft freigegebenen, noch nicht behandelten Akten zu den bereits im Ausschuss erörterten Telekom-Zahlungen dürften keinesfalls im Ausschuss behandelt werden. Das war der einzige Erfolg der ÖVP in den vergangenen Tagen. Offiziell heißt es natürlich, man wolle zurück zur Sachpolitik. Natürlich, die klingt vor allem dann verlockend, wenn sie wieder von Skandalen – wie etwa dem jüngsten um die mehr als fragwürdige Vergabe von Rettungslizenzen im sehr weltlichen Land Tirol – ablenkt.

Doch dabei unterlaufen den Medienstrategen in SPÖ und ÖVP schwere Denkfehler. Die ÖVP-peinlichen Akten werden schon bald irgendwo auftauchen, irgendwo gibt es immer ein schönes Leck. Das gilt auch für Werner Faymann und seine Berater, die wie kleine Kinder vorgehen: Aber nur weil sie die Augen schließen, verschwindet das Problem noch nicht. Auch acht Verhandlungstage dürften reichen, um die Inseratenvergabe nachhaltig zu thematisieren. Und die Tatsache, dass sich der Kanzler nicht in den Ausschuss traut, wird ihn bis zur kommenden Wahl begleiten, ob er will oder nicht.

Nein, es war keine schwarze Stunde für die Demokratie oder das Ende des österreichischen Parlamentarismus, als SPÖ und ÖVP versuchten, den Ausschuss abzudrehen, wie manche Kommentatoren fürchteten. Es war nur ein Offenbarungseid des Dilettantismus. Und der Beweis, dass Werner Faymann und Michael Spindelegger wirklich glauben, sie kommen damit durch.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

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