Griechenland braucht noch mehr Geld

Griechenland braucht noch mehr
Griechenland braucht noch mehr(c) Lennart Preiss
  • Drucken

Die Lücke im griechischen Haushalt dürfte fast doppelt so groß sein, wie zunächst angenommen. Der Rettungsschirm ESM könnte auf zwei Billionen Euro "gehebelt" werden.

Wien/Ag./Red. Griechenland wird für die internationalen Geldgeber zum Fass ohne Boden. Nun wurde bekannt, dass die Lücke im griechischen Staatshaushalt viel größer sein könnte, als bisher angenommen. Im Haushalt fehlten derzeit rund 20 Mrd. Euro, um die von den Geldgebern vorgegebenen Sparziele zu erreichen – das wäre fast doppelt so viel, wie die Regierung in Athen zuletzt angegeben hat. Das ist laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ die Erkenntnis der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Die nächste Tranche des Hilfspaketes von EU und IWF fließt nach derzeitigem Stand aber nur, wenn das Haushaltsloch geschlossen wird.

Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras soll daher schon mehrfach angefragt haben, ob die öffentlichen Gläubiger bereit wären, auf die Rückzahlung eines Teils der griechischen Schulden zu verzichten. Er möchte außerdem zwei Jahre mehr Zeit bekommen, um seine Sparziele zu erfüllen. Die Regierung um Samaras verhandelt gerade mit der Troika über Einsparungen in der Höhe von 11,5 Mrd. Euro. An diese Einsparung ist die Auszahlung der nächsten Tranche des Rettungspakets geknüpft. Es handelt sich bei der Tranche um einen Betrag von 31,5 Mrd. Euro.

In den letzten Wochen häuften sich die Spekulationen über einen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland. Genährt wurden sie in der Vorwoche von Martin Blessing, Chef der deutschen Commerzbank. Er rechnet nicht damit, dass weitere Hilfszahlungen und Reformen ausreichen werden, Griechenland so weit zu sanieren, dass sich das Land bald wieder selbst auf den Anleihenmärkten finanzieren kann, so Blessing am Freitag. Er geht zudem davon aus, dass sich an einem zweiten Schuldenschnitt, anders als beim ersten, alle Gläubiger beteiligen werden. Also nicht nur Banken und Versicherungen, sondern auch die EZB und und nationale Notenbanken.

Laut einem Bericht der US-Ratingagentur Moody's vom August hält die öffentliche Hand bereits 73 Prozent der griechischen Staatsschulden. Das sind 194 Mrd. Euro. Auch Moody's rechnet damit, dass es bei einem zweiten Haircut kaum mehr Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Gläubigern geben wird. Die Ratingagentur S & P erwartet, dass die griechische Wirtschaft 2012 und 2013 um zehn bis elf Prozent schrumpfen wird. Die EU-Kommission rechnet mit rund fünf Prozent.

Größerer Rettungsschirm möglich

Eine Beteiligung der öffentlichen Hand an einem Schuldenschnitt brächte die EU-Regierungen in die Bredouille. Wenn die Geberländer Griechenland Hilfskredite erließen, wäre das ein direkter Bail-out. Und der ist laut den EU-Verträgen verboten. Dem Schuldenschnitt könnten bilaterale Kredite von 53 Mrd. Euro zum Opfer fallen, berichtete die „Financial Times Deutschland“ vergangene Woche. Österreich müsste 1,55 Mrd. Euro abschreiben. Der erste Haircut kostete die Republik bereits gut eine Milliarde Euro.

Um mehr Geld für die europäischen Schuldenländer zur Verfügung zu haben, soll nun angeblich der dauerhafte Rettungsschirm ESM vergrößert werden. Derzeit verfügt der Rettungsschirm über ein Volumen von 500 Mrd. Euro. Der „Spiegel“ nannte in seinem Bericht eine „Hebelung“ auf bis zu zwei Billionen Euro mittels Beteiligung privater Investoren. Das Ziel sei, dass auch große Euroländer wie Spanien und Italien unter den Schutzschirm passen. Finnland verhindere allerdings eine schnelle Verabschiedung der Pläne in der Euro-Gruppe. Die Regierung in Helsinki sehe in den Plänen einen massiven Eingriff in den ESM-Vertrag und wolle deswegen eine Zustimmung des Parlaments.

Eine Sprecherin des deutschen Finanzministeriums bestätigte am Sonntag, dass nach dem Urteil des Verfassungsgerichts in Karlsruhe nun über die Leitlinien des ESM beraten würde. Dazu gehöre auch die Einbeziehung privater Investoren, was eine Art Hebelung bedeuten würde. Zur Höhe der Hebelung sagte die Sprecherin nichts. Auch das österreichische Finanzministerium wollte die Diskussion auf Anfrage der „Presse“ nicht kommentieren. „Zum ESM ist derzeit alles gesagt“, so der Sprecher von Finanzministerin Maria Fekter.

Auf einen Blick

Die Lücke im griechischen Staatshaushalt dürfte laut einem Medienbericht mit 20 Mrd. Euro fast doppelt so groß sein, wie bislang angenommen. Die nächste Tranche aus dem Hilfspaket fließt aber nur, wenn das Haushaltsloch geschlossen wird. Die Regierung in Athen soll mehrfach angefragt haben, ob die Gläubiger bereit wären, auf einen Teil ihrer Kredite zu verzichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2012)

Mehr erfahren

Frankreichs Premier Jean-Marc Ayrault
New Articles

Frankreichs Premier will Griechenland mehr Zeit geben

Athen müsse die Reformen jedoch "ehrlich" umsetzen, fordert Frankreichs Premier Ayrault.
Griechen halten Sparprogramm fuer
Home

Griechen halten Sparprogramm für ungerecht

90 Prozent der Griechen finden, dass das Reformpaket fast ausschließlich zulasten der ärmeren Teile der Bevölkerung geht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.