Ein Minister setzte 100.000 Dollar aus, damit der Urheber des Mohammed-Schmähfilms getötet wird. Immer wieder knickt die Regierung vor den Islamisten ein.
Bangkok/Islamabad. Die Journalisten, die in den Presseclub in Peshawar gekommen waren, um sich eine Rede von Pakistans Eisenbahnminister Ghulam Ahmad Bilour anzuhören, müssen geglaubt haben, sie hätten sich verhört. Bilour erklärte, er werde demjenigen, der den Urheber des Schmähfilms „Die Unschuld der Muslime“ ermorde, aus eigener Tasche 100.000 Dollar zahlen.
Der Minister ging noch weiter: „Ich lade die Taliban-Brüder und die Brüder von al-Qaida dazu ein, mich bei dieser gesegneten Mission zu unterstützen.“ Zwar sei er sich darüber im Klaren, dass Mordaufrufe strafbar seien. Es gebe jedoch keine andere Möglichkeit, „Gotteslästerern Angst einzujagen.“ Er würde den Filmproduzenten auch selbst umbringen und sei bereit, die Konsequenzen zu tragen.
Ein Sprecher von Premier Raja Pervez Ashraf distanzierte sich „vollkommen“ von den Äußerungen des Ministers, der nicht zur größten Regierungskraft, der Pakistanischen Volkspartei (PPP), gehört, sondern zu einer Kleinpartei. Auch diese, die „Awami National Party“, distanzierte sich von den Äußerungen. Bilours Erklärung sei „persönlich“ gewesen.
Der Mordaufruf kam nur einen Tag nachdem sich im ganzen Land Randalierer bei Protesten gegen den Schmähfilm Straßenschlachten mit der Polizei geliefert hatten. Mindestens 23 Menschen waren dabei ums Leben gekommen, mehr als 200 verletzt worden. In mehreren Städten hatten Demonstranten Gebäude niedergebrannt. Im Norden des Landes war eine Kirche in Flammen aufgegangen.
Film soll in Berlin gezeigt werden
Derweil hat in Internetforen, Talkshows und in Zeitungskommentaren eine Debatte begonnen, inwiefern die schweigende Mehrheit der Pakistaner eine Mitschuld an der Gewalt trägt. Denn obwohl die Folgen der Ausschreitungen verheerend waren, hatte sich nur eine verschwindend kleine radikale Minderheit an den Protesten beteiligt. Doch die große, moderat eingestellte Mehrheit der Pakistaner scheint mittlerweile vor dem religiös-rechten Rand teilweise kapituliert zu haben. Was nachvollziehbar ist: Mehr als 3000 Pakistaner sind in den vergangenen Jahren bei Anschlägen im eigenen Land getötet worden.
Einige Kommentatoren kritisierten insbesondere den Umgang der Regierung mit den Protesten vom Freitag. Sie hatte den Tag zu einem Feiertag erklärt und die Pakistaner aufgerufen, ihrem Unmut über das Video in friedlichen Kundgebungen Luft zu machen.
Ein Kommentator der Nachrichtenwebseite Dawn.com meinte, Regierungen unter Führung der Volkspartei versuchten seit Jahrzehnten, religiös eingestellte Pakistaner mit Zugeständnissen zu besänftigen, aus „Feigheit und kurzsichtigem Überlebensinstinkt“. Doch die Annahme, dass diese dadurch verschwinden und alle anderen in Ruhe lassen würden, habe sich nie bewahrheitet.
Neue Proteste sind schon vorprogrammiert: Eine deutsche Splitterpartei will den Film im November in Berlin aufführen lassen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2012)