Populisten profitieren nicht von Krisen

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Frank Stronachs Partei-Experiment ist kein Selbstläufer. Protestparteien profitieren nicht automatisch von der Krisenangst. In unsicheren Zeiten gewinnen oft etablierte Parteien, die für Kontinuität stehen.

Wien. Sie setzen auf das Zusammenspiel von Angst und Ärger. Im Sog der Krise wittern Euro-Apokalyptiker ihre Chance. Prominentester Neuzugang: Frank Stronach. Seit Wochen zieht der Schilling-Nostalgiker gegen ESM und Co. vom Leder. Und dennoch: Diese Wahlkampfstrategie muss nicht automatisch aufgehen. Denn die gängige Annahme vom Aufstieg der Populisten im Sog von Krisen ist eine Mär. Sie stimmt nicht – nicht mit Blick auf die Finanzkrise und nicht in Österreich. Das belegt Sozialforscher Peter Ulram in dem Ende 2012 erscheinenden Buch „Politik und Krise“.

Den (gefühlten) Höhepunkt der Finanzkrise machte Ulram im vierten Quartal 2008 und in der ersten Jahreshälfte 2009 aus, als eine Mehrheit mit Pessimismus in die wirtschaftliche Zukunft der Alpenrepublik blickte. Die FPÖ legte damals zwar in absoluten Zahlen leicht zu. Die „Krisenangst“ war dabei aber kein Faktor. Im Gegenteil: Zeitgleich wandten sich ausgerechnet Arbeitslose und jene, die eine Verschlechterung der Wirtschaftslage oder den Jobverlust befürchteten, von der FPÖ ab – und den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP zu. Für Ulram „erstaunlich“: Dem „dominanten Deutungsmuster“ zufolge hätten Links- und Rechts-außen profitieren müssen, vor allem unter jenen, die von der größten „Krisenangst“ geplagt wurden.

„Starker Arm statt starker Mann“

Ganz so überraschend sind die Zahlen freilich nicht: Denkzettel verteilt man vor und nach der Krise, aber eben nicht auf deren Höhepunkt, wenn die Ängste konkret und existenziell werden. Ulram: „Die Menschen wünschen sich dann keinen starken Mann, sondern einen starken Arm, der ihnen Schutz gibt.“ Und dieser „starke Arm“ sei für die Österreicher mehrheitlich noch immer das etablierte System, geprägt von SPÖ und ÖVP und den mit ihnen verwobenen Sozialpartnern.

Auch in den Jahren zuvor, von Haiders FPÖ-Putsch 1986–2008, zeige sich weder ein „wissenschaftlich gesicherter“ noch ein „oberflächlicher“ Zusammenhang zwischen der Konjunktur der FPÖ und jener der heimischen Wirtschaft. Das mag auch daran liegen, dass die FPÖ in Wirtschaftsfragen „nicht ernst genommen wird“: Nur drei Prozent der Wirtschaftspessimisten trauten ihr 2009 zu, die Krise zu bewältigen. Ulram: „Inhaltlich hat die FPÖ nur das Ausländerthema und die Kriminalitätsbekämpfung.“

Anders als der Finanzcrash 2008 und seine Folgen ist die aktuelle Eurokrise aber eine „Krise des politischen Systems“, so Ulram. Das macht sie eher anfälliger für Populisten. Ein Beleg: In Athen tummeln sich nunmehr die Neonazis der „Goldenen Morgenröte“ im Parlament, die linksradikale Syriza ist gar zweitstärkste Kraft. Doch auch die Eurokrise unterläuft das Klischee vom automatisierten Aufstieg der Populisten. Geert Wilders weiß das. Der Rechte setzte im niederländischen Wahlkampf auf den Euro-Ausstieg und verlor neun von 24 Sitzen. In Den Haag lenkt nun eine proeuropäische Regierung die Geschicke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2012)

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