Ashrawi: „Wir haben es friedlich versucht und wurden blockiert“

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PLO-Politikerin Hannan Ashrawi warnt vor neuer Gewalt in dem von Israel kontrollierten Westjordanland und fordert von den Vereinten Nationen die Anerkennung Palästinas als Staat.

Die Presse: Palästinenserpräsident Abbas will am Donnerstag in New York die Aufwertung der PLO vom bisherigen UN-Beobachter zum staatlichen Nichtmitglied beantragen. Was gewinnen die Palästinenser damit?

Hannan Ashrawi: Eine UN-Mitgliedschaft kann warten, aber die Anerkennung als Staat wird uns helfen, unsere Grenzen auf der Basis von 1967 mit Jerusalem als Hauptstadt zu definieren. Sie würde zudem endlich festhalten, dass Palästina besetztes Land ist und nicht, wie Israel behauptet, umstrittenes Gebiet. Mit der Anerkennung hätten die Palästinenser die Möglichkeit, internationalen Organisationen beizutreten, darunter natürlich auch den internationalen Gerichtshöfen ICJ und ICC.

Es gab Überlegungen, mit der Abstimmung über den Antrag die US-Wahlen abzuwarten. Wann rechnen Sie mit einem Votum?

Wir befinden uns derzeit in Beratungen über den Termin. Die grundsätzliche Entscheidung ist getroffen, das Datum ist flexibel. Wir hoffen, dass es noch in diesem Jahr passiert.

Nach dem misslungenen Versuch 2011, UN-Vollmitglied zu werden, erscheint der Antrag wie ein Akt der Verzweiflung. Fürchten Sie einen Aufstand?

Das palästinensische Volk ist wütend und frustriert. Wir werden mehrfach belagert, es gibt die territoriale Belagerung, die militärische, die politische und nun haben wir eine wirtschaftliche Belagerung. All das geht einher mit provokativen, ungerechten, unilateralen Maßnahmen der Israelis.

Könnte sich dieser Unmut auch gegen die eigene Führung richten?

Gegen die palästinensische Führung, gegen die Besatzung oder beides. Tatsache ist, dass es so nicht weitergehen kann. Die Lage ist sehr gefährlich.

Die Palästinenser, allen voran Premier Salam Fayyad, verfolgten bis vor einem Jahr die Staatsgründung und scheiterten damit. Welche Strategie verfolgen die Palästinenser seither?

Was wir wollen, ist, die Besatzung loszuwerden. Wir haben die öffentliche Ordnung aufrechterhalten und unter schwersten Bedingungen staatliche Institutionen errichtet. Das als Scheitern zu bezeichnen, ist nicht fair. Tatsache ist, dass die internationale Gemeinschaft Israel Zeit und Raum gab, unsere Rechte weiter zu verletzen. Und auf der anderen Seite hinderte sie uns an jedem möglichen politischen Durchbruch. Wir haben es auf friedlichem Weg versucht und wurden blockiert. Ich möchte keinen Ausbruch von Gewalt in Palästina sehen.

Sie rechnen mit neuer Gewalt?

Ich kann nicht sagen, wann und wo, aber wenn sich nichts ändert, dann wird es sicher wieder einen Gewaltausbruch geben.

Ihr Chefunterhändler Saeb Erekat stellte vor Kurzem die Annullierung der Osloer Verträge in Aussicht. Sind Sie wirklich bereit dazu, die Westbank an Israel zurückzugeben?

Welche Optionen auch immer bereitstehen, sie müssen verantwortungsvoll geprüft werden. Wir werden alle Alternativen und Konsequenzen berücksichtigen und darauf vorbereitet sein.

Zur Person

Hannan Ashrawi, geboren 1946 in Nablus, war früher Sprecherin der palästinensischen Delegation im Nahost-Friedensprozess und ist heute Mitglied im PLO-Exekutivkomitee. Ihr Vater gehörte zu den Gründern der PLO. 1996 bis 1998 diente die Christin in der Regierung in Ramallah als Ministerin für Bildung und Forschung, aus Proteste gegen die grassierende Korruption trat sie zurück. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2012)

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